Im Rahmen der Veranstaltungsreihe „Deutschland, Dein Islam“ sprach Dr. Farid Hafez letzten Donnerstag in seinem Vortrag über Islamophobie und gibt im Interview einige Denkanstöße zu dem politisch sehr aufgeladenen Thema. Er ist Doktor für Politikwissenschaften an der Uni Wien, lehrt und forscht an der Uni Salzburg. Seit 2010 ist es Herausgeber des „Jahrbuch für Islamophobieforschung“, das Islamophobie in der Politik und im Alltag in den deutschsprachigen Ländern untersucht. Neben zahlreichen weiteren Publikationen bekam er 2009 den Bruno-Kreisky-Anerkennungspreis als Mitherausgeber des Sammelbands „Islamophobie in Österreich“.
Gehört der Islam zu Deutschland?
Ich sehe bei dieser Debatte eigentlich keine reale Debatte über die Frage, ob der Islam wirklich dazu gehört. Muslime sind Realität und ohne den Islam wäre Europa nicht das, was es heute ist. Ich halte die Frage für absurd und denke, wir wählen die falsche Antwort, wenn es darum geht, sozusagen zu beweisen, wie sehr muslimische Zivilisationen Europa beeinflusst haben.
„Wer sind wir?“ „Wer ist Deutschland?“
Die eigentliche Frage, die sich dahinter verbirgt, ist: „Wer sind wir?“ „Wer ist Deutschland?“ Und ob diese Frage überhaupt zu beantworten ist und ob man das auch beantworten sollte, ist nochmal eine ganz andere Frage. Dieser Drang, klare Antworten zu haben, ist das nicht auch ein Zeichen einer Ungewissheit, dir wir im Bezug darauf haben, wie unsere Gesellschaft konstituiert ist und in welche Richtung sie gehen soll?
Sollte die Politik etwas unternehmen, damit der Islam als Religion genauso wie das Christentum in Deutschland anerkannt wird?
Ja, auf alle Fälle. Wenn es um die Frage der Anerkennung einer Religion geht, gibt es unterschiedliche Ebenen. Zum einen gibt es in einem Land wie Deutschland eine gesetzlichen Ebene. Wir haben Kirchen gesetzlich anerkannt, auf Seiten der muslimischen Religionsgesellschaften ist das allerdings kaum der Fall. Man ist also sehr weit weg von einer rechtlichen Anerkennung. Dann gibt es natürlich auch noch die Frage, wie man in einer Gesellschaft damit umgeht und welchen öffentlichen Raum man anderen Religionen gibt.
In Wirklichkeit ist es sehr simpel.
Auch da denke ich, dass es in Wirklichkeit sehr simpel ist. Wenn wir tatsächlich davon ausgehen, dass alle Menschen gleich sind und alle Menschen entsprechend der Fassung auch gleichbehandelt werden, sprich Menschen anderer Religionszugehörigkeit auch andere religiöse Rechte zugestanden werden, dann ist das eigentlich eine ganz simple Rechnung. Aber wir sehen natürlich in der politischen Realität, dass wir ganz weit weg sind davon.
Glauben Sie, dass die Flüchtlingsbewegung ab 2015 etwas an dem Islambild in Deutschland oder Europa verändert hat?
Ich denke im Falle von osteuropäischen Ländern durchaus, weil wir dort gesehen haben, dass die Frage von islamophobem Populismus in der politischen Landschaft in den meisten Ländern vorher keine großartige, vordergründige Rolle gespielt hat. Das hat sich geändert mit den sogenannten Fluchtbewegungen von Menschen aus den Kriegsgebieten Irak und Syrien. Im Zusammenhang mit Westeuropa würde ich die Frage mit „nein“ beantworten. Dort hat es in Wirklichkeit keine großartige Änderung gegeben. Natürlich haben Diskurse wie in Köln stattgefunden, die Frage des „hypersexuellen, muslimischen, nordafrikanischen Mannes“, die seither omnipräsent in medialen Darstellungen ist. Das ist natürlich gekommen als eine Konsequenz von diesen Fluchtdebatten, die wir in der Öffentlichkeit gehabt haben. Aber im Wesentlichen würde ich sagen, wenn es um die Frage von anti-muslimischem Rassismus geht, ist es sehr wertunabhängig von diesen realen Vorfällen zu betrachten.
Rasse ist nicht die Vorbedingung, sondern das Produkt von Rassismus.
Ich gehe auch grundsätzlich davon aus, dass Rasse nicht die Vorbedingung, sondern das Produkt von Rassismus ist. Und in diesem Sinne würde ich auch sagen, diese Islamdebatte, dir wir haben, ist nur eine scheinbare Debatte – und zwar deswegen, weil es ja keine wirklich Debatte über Religion ist. Es ist eine soziale und politische Debatte ist, die in Wirklichkeit politische, ökonomische und soziale Fragen übertüncht und wo eine Markierung des Muslimischen verwendet wird, um Dinge auf diese Minderheiten zu projizieren. Nehmen wir die Thilo-Sarrazin-Debatte von 2010. Da gab es keine Fluchtbewegung weit und breit, aber wir hatten die Debatte mitten im Herzen Deutschlands von einer nominell sozialdemokratischen Person ausgehend.