Ob gemütlich auf dem Sofa, auf dem Weg in die Uni oder während der Vorlesung, der Warenkorb im Onlineportal füllt sich nach und nach. Mit ein paar Klicks machen sich die begehrten Sachen stressfrei auf den Weg nach Hause. Ist das Paket erst einmal angekommen, wird aussortiert – was wird behalten und was geht doch lieber zurück. Vielleicht weil es in der anderen Größe besser passt, weil drei neue Teile reichen oder weil das Weihnachtsgeschenk doch nicht so gut ankam.
Pro Minute werden über 532 Bestellungen zurückgeschickt
So wurden in den vergangenen zwölf Monaten in Deutschland 53 Prozent der Online-Käufe retourniert. Das ergibt schätzungsweise 280 Millionen Pakete, die ihren Weg zweimal machen durften. Damit ist Deutschland in Europa Spitzenreiter, gefolgt von den Niederlanden mit 51 Prozent. Am häufigsten zurückgeschickt werden dabei mit 40 bis 50 Prozent Kleidung und Schuhe.
20 Millionen Produkte landen pro Jahr im Müll
Kaum einer stellt sich beim Aufkleben des Retourenlabels die Frage, was eigentlich mit dem retournierten Artikel passiert. Da von den Onlinehändlern keine konkreten Angaben zu Retouren erhoben werden, kann sich dabei nur auf Studien der Universität Bamberg und Aussagen von Unternehmen bezogen werden.
Durchschnittlich werden dabei 70-80 Prozent der Retouren als A-Ware, das heißt als Erstware, wiederverkauft. 50 Prozent der nur leicht beschädigten B-Ware wird laut der befragten Unternehmen durch Reseller oder Outlets zurück in den Verkauf gebracht. Hingegen beläuft sich die Zahl der weiterverkauften B-Ware laut der Bamberg-Studie tatsächlich aber nur auf knapp 15 Prozent.
Auch über 7,5 Millionen Produkte würden sich immerhin noch als Spende eignen. Tatsächlich werden von den Händlern jedoch weniger als 1 Prozent der zurückgeschickten Ware gespendet. Durch das Spenden steigt das Risiko für die Händler, sich den Markt zu ruinieren. Das Finden einer geeigneten Spendenaktion stellt außerdem einen zusätzlichen Aufwand für die Unternehmen dar. Ausschlaggebend ist jedoch, dass Finanzbehörden Sachspenden wie einen normalen Umsatz bewerten und dementsprechend eine Umsatzsteuer fordern, wohingegen ein vernichtetes Produkt wertlos und folglich betriebswirtschaftlich günstiger ist.
Damit werden ganze 3,9 Prozent aller Retouren in Deutschland vernichtet beziehungsweise recycelt. Recyceln bei Kleidung bedeutet in der Regel allerdings, dass diese zu Putzlappen verarbeitet werden, welche im nächsten Schritt dann auch im Müll landen. Das entspricht bei 490 Millionen zurückgesendeten Produkten also knapp 20 Millionen vernichtete Produkte. Nicht inbegriffen dabei ist die Vernichtung der Artikel, die erst gar nicht verkauft wurden.
Von den 20 Millionen entsorgten Produkten ist bei knapp der Hälfte eine Wiederaufbereitung möglich
Es stellt sich also die Frage, warum Millionen Produkte trotzdem entsorgt werden. Artikel, die besonders intensiv mit dem Körper in Berührung kommen, dürfen auf Grund von Hygiene- und Sicherheitsvorschriften, nicht wieder vermarktet werden. Daneben stehen rechtliche Regelungen der Marken- und Patentinhaber, die vorgeben, dass ca. eine Million Produkte vernichtet werden müssen, um jegliche Gebrauchsspuren am Markenprodukt zu vermeiden. Des Weiteren ist die schlichte Platzersparnis, die dem Unternehmen jährliche Kosten für nicht lukrativen Lagerplatz erspart, nicht zu vergessen. Hinzu kommen steuerliche und buchhalterische Gründe. Intakte Waren müssen Jahre lang bei der Inventur als bestehendes Inventar verbucht und steuerlich abgeschrieben werden. Ein zerstörter Artikel kann hingegen direkt als Totalverlust verbucht werden. Der Hauptgrund für die unterlassene Wiederaufbereitung ist jedoch, dass es sich wirtschaftlich nicht rechnet. So ist es für den Händler günstiger, das Produkt neu herzustellen oder bei einem Warenwert unter 15 Euro für durchschnittlichen 0,85 Euro zu entsorgen. Sowie Retouren zum Geschäftsmodell gehören, so gehört auch deren Vernichtung dazu.
Kostenlose Retouren sind ein Verkaufsargument für die Händler
Es existieren keine eindeutigen Zahlen für die Kosten einer Retoure. Kleine Versandhändler zahlen meist höhere Prozesskosten als Großunternehmen. Der Preis pro Artikel liegt wohl zwischen einem und zehn Euro. Die Kosten trägt der Onlinehändler. Sie sind aber bereits in den Preis der Produkte miteinkalkuliert – wir Käufer zahlen die Retouren also im Prinzip schon, selbst wenn wir nichts zurückschicken. Solange nicht mehr als 60 bis 70 Prozent der Artikel zurückgeschickt werden, lohnen sich die „kostenlosen“ Retouren für die Händler, da viele Kunden gerade wegen dieser Flexibilität online bestellen.
Durch massenhafte Retouren wird die positive Umwelt-Bilanz zu Nichte gemacht
Online-Bestellungen können durchaus klimafreundlicher sein als selbst einkaufen zu gehen. Die Waren werden in der Regel möglichst effizient gelagert und ausgeliefert. Der Kunde steigt für den Kauf nicht selbst ins Auto und es müssen keine Läden beleuchtet, klimatisiert oder beheizt werden. Gerade durch die massenhaften Retouren wird diese positive Bilanz allerdings zu Nichte gemacht.
Zum einen müssen die Pakete hierdurch mehrmals durch die Gegend gefahren werden. Die Produkte müssen außerdem neu verpackt werden und im Onlinehandel wird im Vergleich zum Groß- und Einzelhandel ohnehin mehr Verpackungsmaterial benutzt, damit die Produkte heil beim Kunden ankommen. Seit 1996 ist der Verpackungsmüll durch den Versandverkauf um schlappe 540 Prozent gestiegen – womit die Deutschen inzwischen Europameister sind. Und wenn die zurückgeschickten Bestellungen vernichtet werden, ist das natürlich eine offensichtliche Ressourcenverschwendung.
Im Jahr 2018 führten die Retouren zu einem Verbrauch von etwa 238.000 Tonnen CO2 Äquivalenten – das entspricht etwa täglich 2.200 Autofahrten von Hamburg nach Moskau. Insgesamt macht das 0,02 Prozent des gesamten CO2 Ausstoßes in Deutschland aus, was leicht vermeidbar wäre.
Retouren könnten verringert werden
Um die Anzahl der Retouren zu verkleinern, fordern die Bamberger Wirtschafts Forscher eine gesetzliche Rücksendegebühr von mindestens 2,95 Euro. Wenn alle Anbieter hierzu verpflichtet werden, würde es keine Wettbewerbsverzerrung zwischen Klein- und Großhändlern geben und die Kunden würden sich stärker überlegen, ob sie einen Artikel wirklich bestellen. Die Forschungsgruppe geht davon aus, dass die Retouren hierdurch pro Jahr um 80.000 Artikeln sinken würde, was 40.000 Tonnen weniger CO2 entspricht.
Um für mehr Transparenz bei den Retouren zu sorgen, wäre ein „Retouren-Nachhaltigkeits-Siegel“ denkbar. Die Grünen fordern außerdem ein Verbot der Vernichtung von Retouren, wie es beispielsweise in Frankreich existiert. Dr. Asdecker, Leiter der Bamberger Studien, gibt jedoch zu bedenken, dass solch ein Verbot wahrscheinlich auf einfache Weise umgangen werden kann, da eine effektive Kontrolle einen zu großen Aufwand mit sich bringe. Er plädiert stattdessen, dass die Politik „vorhandene Entsorgungsanreize und Spendenhemmnisse abbaut“.
Anstatt nur auf Lösungen von Politik und Markt zu warten, sollten aber auch wir Kunden anfangen, unser Handeln in Frage zu stellen. Schließlich führt erst der Konsumwahnsinn der Gesellschaft zu der großen Ressourcenverschwendung des Online-Handels. Wie wäre es denn, den Liebsten in diesem Jahr etwas selbst Gemachtes zu schenken? Oder den vielen regionalen Läden in den Gassen Passaus – ganz ohne Auto – einen Besuch abzustatten?