Marina Schorgg ist 15 Jahre alt und Schülerin der zehnten Klasse des Gymnasiums Moosburg. In ihrer Freizeit engagiert sie sich bei verschiedenen Projekten, seien diese sozial, politisch oder aktivistisch. Ein Gespräch über Fridays for Future, volle Terminkalender und Verantwortung.
Blank: Hallo Marina. Du engagierst dich bei ganz verschiedenen Projekten, du organisierst mit bei Fridays for Future in Freising, du bist Vorsitzende des Jugendparlaments Moosburg und bist erste Schülersprecherin. Wie viel Zeit nimmt das alles in Anspruch?
Marina: Als Schülersprecherin und auch im Jugendparlament ist es ganz abhängig davon, wie viel Stress wir uns selbst machen. Das kommt daher, dass vor allem das Jugendparlament unabhängig läuft und uns keine Erwachsenen auf die Finger schauen. Das hat auch Nachteile, denn wenn das Jugendparlament schwach besetzt ist, wie zum Beispiel letztes Jahr, dann bleibt sehr viel an der ersten Vorsitzenden hängen (lacht). Beim Amt der Schülersprecherin ist es ja so, dass es auf drei Leute aufgeteilt wird, da kann man sich die Arbeit besser teilen. Außerdem gibt es ja noch die Verbindungslehrer, die uns unterstützen. Bei Fridays for Future hatten wir jetzt immer ein Treffen pro Woche, aber das dauert dann teilweise auch drei Stunden. Ich mache nebenbei auch noch andere Sachen, ich spiele Trompete, bin bei den Pfadfindern und belege in der Schule freiwillig Wahlkurse. Also in der Summe macht das schon ganz schön viel aus, sich überall zu beteiligen.
Blank: Ein straffer Zeitplan. Was motiviert dich, so viel Zeit in dein Engagement zu investieren?
Marina: Es macht mir Spaß, Projekte zu planen, Verantwortung zu übernehmen und Dinge durchzusetzen. Und das Erfolgserlebnis, wenn man dann am Ende darauf zurückschauen kann und sagen kann, es hat geklappt und es hat was gebracht. Das ist das, was mich antreibt.
Blank: Hast du ein Beispiel für so ein Erfolgserlebnis?
Marina: Als wir die erste Fridays for Future Demo in Freising organisiert haben, wurde anfangs darüber diskutiert, wie viele Leute wir anmelden sollen. Ich war der Meinung wir sollten 1000 anmelden. Der Rest war aber der Meinung, das würden nie so viele werden und deshalb wurden nur 300 angemeldet. Schlussendlich konnten wir doch 1000 Menschen mobilisieren. Auch mit der Schulleitung haben wir diskutiert, damit alle Teilnehmer den Unterricht fünf Minuten früher verlassen durften, um den Zug nach Freising zu erwischen. Darauf zurückschauen zu können und zu sagen, das hat alles gut funktioniert, ist ein schönes Gefühl.
Blank: Euer Erfolg und eure Reichweite ist ja abhängig von der Kooperation mit Politikern oder zum Beispiel Lehrern wie eben in deinem Beispiel. Werdet ihr ernst genommen?
Marina: Das kommt ganz drauf an, wo. Also in der Schule werden die Schülersprecher von der Schulleitung sehr unterstützt und da klappt die Zusammenarbeit ziemlich gut. Bei Fridays for Future hat man natürlich Leute, die das doof finden, aber die hat man ja immer. Einmal haben wir vor dem Rathaus demonstriert, da kam die Bürgermeisterin raus und hat kurz mit uns geredet. Bei so etwas merkt man, dass der Wille und das Interesse uns zuzuhören da sind. In Moosburg beim Jugendparlament haben wir auch eine sehr große Unterstützung von der Bürgermeisterin, da wird es sich jetzt nach den Kommunalwahlen im März zeigen, wie es weitergeht.
Blank: Ich komme aus Baden-Württemberg und meine Freunde die schon 16 waren durften damals unseren neuen Bürgermeister wählen. Hier in Bayern darf man auch auf kommunaler Ebene erst ab 18 wählen, was ist deine Meinung dazu?
Marina: Ich finde es total blöd. Es wäre wichtig, schon früher zu wählen vor allem auf kommunaler Ebene, wo man die Ergebnisse ja direkt sieht. Zu sehen, welcher Bürgermeister was umsetzt und was gefordert wird ist ein guter Einstieg in die Politik. In der Regel geht man mit 16 ja auch noch zur Schule und dort kann man die Thematik ja auch im Unterricht behandeln.
Blank: Das Jugendparlament ist sehr praktisch orientiert. Was waren Projekte im letzten Jahr?
Marina: Also letztes Jahr war es ein bisschen schwierig große Projekte in Angriff zu nehmen, weil wir nur zu fünft waren. Wir haben aber zum Beispiel eine Diskussionsrunde zum Thema Fridays for Future mit den Schulleitungen organisiert und auch eine Mittelstufenparty. Und dann haben wir auch Projekte mitgestaltet, die es schon seit einiger Zeit gibt, zum Beispiel den Action Day.
Blank: Dieses Jahr seid ihr zu zehnt. Was sind eure Ziele?
Marina: Unser großes Ziel, das wir dieses Jahr in Angriff nehmen wollen, ist eine Petition an den bayerischen Landtag zu schreiben, in der es darum geht, dass Beteiligungsplattformen für Jugendliche verpflichtend unterstützt werden müssen, zum Beispiel mit finanziellen Mitteln oder einem Rederecht. Plattformen wie das Jugendparlament sind leider eher selten, obwohl man ja an einer Bewegung wie Fridays For Future sehen kann, dass das Interesse an Mitbestimmung gegeben ist. Viele Jugendliche wissen gar nicht von der Möglichkeit, ein Jugendparlament oder einen Jugendstadtrat zu gründen.
Blank: Reden wir über Fridays for Future. Wie seid ihr organisiert?
Marina: In Freising ist die Ortsgruppe, die auch zu Fridays for Future gehört. Dort gibt es zwei Delegierte, die einmal in der Woche an einer Telefonkonferenz teilnehmen.
Blank: Du hattest vorhin gesagt, dass es vor allem bei Fridays for Future Gegner und kritische Stimmen gibt. Welchen Schwierigkeiten und Herausforderungen musst du dich deswegen stellen?
Marina: Naja, es gibt in der Schule zum Beispiel einen Mitschüler, der das alles super dämlich findet und der kommt mindestens einmal am Tag und drückt mir irgendwie so einen Spruch oder erzählt mir wie viel CO2 er ausstößt und ist stolz darauf, wenn es über dem Durchschnitt liegt. Oder auch von Lehrern kommen dumme Sprüche im Sinne von „Ihr seid ja so geil auf Umwelt.“ Aber die meiste Zeit bekommen wir sehr positive Rückmeldungen.
Blank: Gängiger Vorwurf der Kritiker der Bewegung lautet: „ihr wollt alle bloß Schule schwänzen“. Was entgegnest du solchen Vorwürfen?
Marina: In Freising finden die Demonstrationen nachmittags statt, sie starten um 13:30 Uhr nach Schulschluss. Das Plenum beginnt donnerstags um 18 Uhr und geht bis 21 Uhr, da bin ich dann um halb elf zuhause. Wenn ich das dann den Leuten sage, sind sie ganz schnell ganz leise.
Blank: Lohnt es sich überhaupt, individuell für das Klima zu handeln?
Marina: Es ist ja leider Gottes belegt, dass individuelle Entscheidungen nicht wirklich viel beitragen können und wenn man dann Zug fährt statt Auto ist das ja fast nichts im Vergleich mit den Emissionen, die die großen Firmen produzieren. Das ist auch das was mich an der Politik so wahnsinnig macht, wenn man so im Stich gelassen wird. Aber auch wenn es nur um Zeichen geht, also wenn der Politik symbolisiert wird, ich tue etwas, weil ihr nichts tut, das kann etwas anstoßen. Natürlich ist es ernüchternd zu sehen wie wenig der eigene Aufwand letztendlich bringt, aber ich könnte nicht damit leben, nichts zu tun.
Blank: Also liegt deiner Meinung nach die Hauptverantwortung bei den Unternehmen und der Politik?
Marina: Ja genau, also bei der Politik, die die Konzerne regulieren muss.
Blank: Gehen wir mal davon aus, die nationale Politik oder sogar ganz Europa würde wirklich Veränderungen durchsetzen und konsequent handeln, kann das bei einem so globalen Phänomen mit so vielen anderen Verursachern wirklich etwas ausrichten?
Marina: Wenn man natürlich das große Ganze betrachtet, dann sind da natürlich Länder wie China oder die USA, die viel mehr CO2 ausstoßen. Aber irgendjemand muss ja anfangen. Wenn wir alle die Schuld und Verantwortung woanders hinschieben, dann passiert gar nichts. Also lieber was tun, die Pioniere sein und Dinge anstoßen, auch wenn es im ersten Moment lächerlich erscheint.
Blank: Kannst du dir vorstellen beruflich in der Politik zu arbeiten?
Marina: Natürlich reizt es mich, mal im Plenum des Landtags zu sitzen oder Reden zu halten. Ich weiß aber nicht ob ich dem standhalten würde. Man steht ja unter einem großen gesellschaftlichen Druck und trägt eine riesige Verantwortung. In der Kommunalpolitik kann ich mir aber durchaus vorstellen mich aktiv zu engagieren.
Blank: Schrecken dich Vorfälle wie der Mord an Walter Lübcke oder Morddrohungen gegen Politiker wie Cem Özdemir ab?
Marina: Auf jeden Fall. Einerseits denke ich, man darf sich nicht einschüchtern lassen und auf keinen Fall rechten Trollen das Feld überlassen, andererseits kann ich mir gar nicht vorstellen wie groß die Belastung sein muss, wenn man Morddrohungen bekommt oder Angst um seine Familie haben muss. Ich weiß nicht, was man gegen so etwas tun kann, aber ich will mich ehrlich gesagt auch nicht opfern.
Blank: Du hältst auf Demos schon öffentlich Reden, fällt dir das schwer?
Marina: Ich mache das unfassbar gerne, aber es ist jedes Mal aufs Neue eine große Überwindung, weil ich wirklich Angst davor habe. Ich habe zum Beispiel als Schülersprecherin eine Abschiedsrede für unsere Direktorin halten müssen und ich wäre am liebsten weggerannt. So kurz davor konnte ich aber nicht mehr absagen. Ich bin dann eine Runde über den Schulhof gerannt. Aber immer, wenn ich dann das Mikro in der Hand halte ist meine Aufregung weg und letztendlich macht es auch Spaß, wenn man erkannt wird oder darauf angesprochen wird.
Blank: Hast du irgendwelche Vorbilder?
Marina: Ein richtiges Vorbild in der Politik habe ich nicht, aber ich bin zur Politik überhaupt erst über die Satire gekommen. Meine Schwester hat im Unterricht das Lied „Erdowie Erdowo Erdogan“ von Extra3 durchgenommen, da war ich 12. Ich habe zwar nicht ganz verstanden worum es ging, aber ich fand es einfach unfassbar witzig. So habe ich dann eben angefangen Extra3 anzugucken, das Neo Magazin Royale und auch die heute show. Um die Themen zu verstehen, die dort behandelt wurden habe ich dann angefangen regelmäßig die Tagesschau zu gucken und Zeitung zu lesen. Also wenn ich irgendwie ein Vorbild habe, dann so jemand wie Jan Böhmermann oder Oliver Welke.
Blank: Denkst du Satire kann als Einstieg in die Politik dienen?
Marina: Ich denke schon, vor allem wenn man darüber merkt, dass Politik nichts Trockenes ist und dass es auch Spaß machen kann. Es darf halt nicht die einzige Informationsquelle sein, aber es ist schon mal besser, als sich gar nicht mit politischen Themen zu beschäftigen.