Und Mitte November gleitet ein Mann mit Hebebühne gen Himmel, um außen an der Stadtgalerie leuchtende Schneeflocken anzubringen. Die folgenden Wochen begleiten sie Scharen von händeringend Geschenksuchenden und Nochmal-40%-auf-alles-Getriebenen. Dass das so bleibt, schien so gewiss, dass Weihnachtsshopping einst zur Tradition avancierte. Nun sehen wir sie bröckeln. Trauern müssen wir deshalb nicht.
Stellen wir uns doch dem neuartigen Adventsproblem, das vor zehn Monaten entstand und leider Realität heißt. Entlocken wir ihm, was wir in der Vorweihnachtszeit wirklich hochhalten sollten.
Verzicht weckt Bedürfnisse. Zurzeit sind diese existenziell. Das Ich steht auf dem Spiel und nicht nur die Liquidität. Menschliche Bedürfnisse sprudeln stärker als zuvor an die Oberfläche und wollen abgeschöpft, befriedigt werden. Und dafür ist der auferlegte Verzicht verantwortlich. So wünscht sich der Vereinsamte Gesellschaft, die Ziellose einen Auftrag.
Und eben nicht die neue PS5 mit dem Rabattcode „XMAS20“.
Es fehlt, unter Menschen zu sein. Nicht nur unter Bekannten, sondern auch unter Gleichaltrigen und Gleichgesinnten, die uns nicht nahe stehen. Aber gerade vor diesen Weihnachten treibt uns um, wie wir unsere Dezemberroutinen im engen Kreis retten können. Auf dem Christkindlmarkt unterm Heizpilz einen Glühwein mit der WG schlürfen– fällt aus. Genauso wie „Die Feuerzangenbowle“ im Unikino oder Plätzchenschlachten mit noch mehr Glühwein. Aber die Lösung Konsum ist eine hinter vorgehaltener Hand. Ein schwaches Aufbäumen, damit einem das Schicksal nicht endgültig entrinnt. Puh, Kaufen geht ja wie davor.
Zusammenkommen ist möglich. Wohl eine Frage der Definition. Dabei sollten wir das Glück nehmen, wie es kommt – nein, wie wir es uns schaffen. Spaziergänge mit alten Bekannten. Ein Care-Paket des besten Freunds. Zu den Adventssonntagen eine kleine Karte an die Großeltern. Selbstgemachter Glühwein in die Heimat.
Immer noch keine PS5.
Mit Menschen sein heißt, sie bei sich zu haben. Bevorzugt physisch. Seit zehn Monaten gezwungener Maßen vor allem in Gedanken. Wir erkennen, dass uns besonders die Gemeinschaft fehlt. Da so vieles, das sie stiftet, nicht ist, scheint sie zu schlummern. Dabei ist sie hellwach und wartet, gelebt zu werden – anders.