Wird unsere Gesellschaft immer selbstfokussierter? Gemessen an den Spendeneinnahmen, die Hilfsorganisationen, Stiftungen und Vereine einnehmen, könnte man getrost die These aufstellen, dass der Mensch nur noch an sich und das eigene Wohlbefinden denkt. Es scheint so, als sei vielen der Rest der Welt egal, solange es einem selbst gut geht.
Das jährlich erscheinende „Charity Pannel“ des deutschen Spendenrat und der Organisation Growth from Knowledge belegt: Die Spendenbereitschaft nimmt kontinuierlich seit vielen Jahren ab. Klassische Geldspenden tätigten im Jahr 2019 nur noch 15,7 Millionen Menschen. Das sind 800.000 Personen weniger als im Jahr 2018. Damit sank die Spendenbereitschaft auf 23,4 Prozent. Doch es gibt einen Lichtblick: Zwar ist die Bereitschaft zum Spenden zurückgegangen, die Spendenhäufigkeit erreichte im Jahr 2019 allerdings einen neuen Höchstwert. Durchschnittlich spendet eine Person 6-mal pro Jahr. Auch die durchschnittliche Spendenhöhe bleibt mit 35 Euro weiterhin auf dem höchsten Wert seit Beginn der Aufzeichnung vor 15 Jahren. Zehn Jahre zuvor lag die durchschnittliche Spendenhöhe noch bei 27 Euro. Durch vergleichsweise hohe Spenden bleibt das Gesamtvolumen relativ stabil: Bis Ende September 2019 sind insgesamt 3,26 Milliarden Euro für wohltätige Zwecke eingenommen worden. Das sind 1,3 Prozent weniger als im Vergleichszeitraum 2018.
Die meisten Deutschen spenden für humanitäre Hilfe
Im Vergleich zu anderen Spendenzwecken, spenden die Deutschen am meisten für humanitäre Hilfe: 75,3 Prozent der Menschen geben dies als Spendenzweck an. Innerhalb dieser sind es die Not- und Katastrophenhilfe, die prozentual, aber auch absolut wachsen. Neben humanitärer Hilfe spenden die Deutschen für: Den Tierschutz (6,1 Prozent), Umwelt und Naturschutz (3,4 Prozent), Sport (3,5 Prozent), Kultur-/Denkmalpflege (2,5 Prozent) und Sonstiges (9,3 Prozent). Eine zunehmende Verschiebung ist auch bei der Spendenbereitschaft zwischen nationalen und internationalen Projekten zu erkennen: Während die Unterstützung für internationale Projekte von 2018 auf 2019 von 35,6 Prozent auf 38,1 Prozent stieg, sank die Unterstützung für nationale Projekte von 32,9 Prozent auf 31,7 Prozent.
Ältere spenden deutlich häufiger und mehr als jüngere Menschen
Mit einem Anteil von 55 Prozent des gesamten Spendenaufkommens spenden die Menschen über 60 Jahren am meisten. Vor allem die Generation 70+ trägt deutlich zum Gesamtvolumen der Spenden bei. Knapp 43 Prozent, also fast jeder zweite, der über Siebzig-Jährigen spenden; im Durchschnitt 255 Euro pro Jahr. Damit macht diese Gruppe einen Anteil am Spendenmarkt (Einnahmen) von mittlerweile knapp 41% aus. Bei der Altersgruppe 60 bis 69 spendet hingegen nur jeder Vierte und über das Jahr verteilt nur 182 Euro im Durchschnitt. Je jünger die Altersgruppe, desto weniger wird gespendet. Personen, die zwischen 40 bis 59 Jahre alt sind, machen 33,8 Prozent des Gesamtspendenaufkommen aus; der einzelne spendet im Durchschnitt 230 Euro verteilt über ein Jahr. Betrachtet man die jüngste Altersgruppe, alle Personen zwischen 10 bis 39 Jahren, blickt man in düstere Zahlen: Das Spendenaufkommen der jungen Menschen macht gerade einmal 11,2 Prozent des Gesamtspendenaufkommen aus.
Hoffnung Soziale Medien
Menschen, die sowieso regelmäßig Spenden oder sogar Mitglied bei einem Verein sind, brauchen keinen zusätzlichen Anlass oder einen extra Anstoß, der sie zum Spenden motiviert. Die Einnahmen der regelmäßigen Spender reichen allerdings nicht aus, um all die verschiedenen Projekte zu finanzieren. Hilfsorganisationen sind daher auf weit mehr spendenbereite Menschen angewiesen. Doch mit welchen Medien erreicht man potenzielle Spender?
Der Anteil derjenigen, die durch Medien den Weg zum Spenden gefunden haben, wächst stetig. Während 2016 nur 5,1 Prozent durch Aufrufe in den Medien auf Spenden aufmerksam wurden, geben dies 2019 bereits 7,5 Prozent als Spendenanstoß an. Besonders auffallend ist, dass das Medium Internet (2,1 Prozent) und im speziellen die Sozialen Medien (0,5 Prozent) bisher zwar eher langsam, aber dafür kontinuierlich mehr Menschen zum Spenden erreichen. Während fast alle anderen Spendenanstöße, wie Kollekte (2018 6,3 Prozent; 2019 5,6 Prozent), Hinweise von Freunden (2017 8,0 Prozent; 2019 5,6 Prozent) sowie persönliche Ansprachen (2018 5,3 Prozent; 2019 4,9 Prozent) weniger Spenden generieren, nimmt der Anteil derer, die durch Medien zum Spenden aufmerksam gemacht wurden, zu. Bisher bleibt allerdings der persönlich adressierte Brief der effizienteste Spendenanstoß. Vermutlich liegt das jedoch daran, dass damit die Generation 60+ erreicht wird.
Die extreme Spendendifferenz zwischen alt und jung ist ein zunehmendes Problem von Hilfsorganisationen, die auf die Einnahmen von Spenden angewiesen sind. Als ich die Ergebnisse des Spendenrat gelesen habe, muss ich gestehen, dass ich mich für mich und meine Generation geschämt habe. Dabei muss ich auch ganz ehrlich sein und mir selber an die eigene Nase packen, denn richtig gespendet habe ich bisher auch sehr selten. Natürlich ist es auch verständlich, dass junge Menschen, die sowieso eher weniger Geld haben, keine hohen Beträge spenden können, allerdings reicht ja auch schon eine kleine Summe aus, um Menschen in Notlagen zu helfen. Wenn jeder einen Café-Besuch weniger im Monat macht und dieses Geld stattdessen an Hilfsbedürftige spendet, kann so vielen Millionen Menschen geholfen werden. Me, myself and I – so möchte ich nicht sein. You and me – das klingt doch um einiges besser.