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Auslandssemester in die Verlängerung – wie aus vier Monaten zehn wurden | Good Bye Passau – Erasmusblog

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Lisa Bartelmus Ressortleiterin Campus, Politik & Sport

„Mit Grenoble und Frankreich bin ich noch lange nicht fertig, das will mal gesagt sein!“

Das hatte ich vergangenen November in meinem letzten Blogeintrag über mein Auslandssemester geschrieben. Danach war es lange still. War ich etwa doch fertig mit Grenoble? Ganz und gar nicht. Ich bin sogar immer noch hier. Wie das möglich war, warum ich so lange geblieben bin und was ich die letzten Monate hier so getrieben habe, erzähle ich euch hier. Welcome back.

Als ich mein Auslandssemester geplant habe, waren die Daten klar. Das Semester in Frankreich geht von September bis Januar, danach mache ich ein Praktikum. Mal sehen wo und spätestens bis zum Start des Sommersemesters im April bin ich zurück in Passau. Nun ja, meine Prüfungen hier an der Uni in Frankreich waren im Dezember erledigt und zu Weihnachten war ich bei meiner Familie in Deutschland. Neujahr war ich allerdings schon wieder zurück in Grenoble. Warum? Was wartete hier noch auf mich, wo doch das Semester vorbei war?

Es warteten die Berge. Und gute Freunde. Überall auf den Bergen um Grenoble lag Schnee. Zusammen mit Internationals, die für ein Jahr blieben, ging ich Schlittenfahren, Langlaufen, auf Schneeschuhwanderungen und Skitouren. Man sollte meinen, die kalte Jahreszeit sei die, in der man die meiste Zeit drinnen verbringt. Doch mich zog es tagtäglich in den Schnee und sogar regelmäßig in den See zum Eisbaden.

Corona macht´s möglich

Nur irgendwann kam dann doch der Punkt, an dem es mit der absoluten Freiheit vorbei war, denn ich startete mein Praktikum. Das Online-Magazin ZEITjUNG hat seinen Sitz in München, doch wegen (oder besser dank) Corona, wurde alle Arbeit aus dem Home-Office erledigt. Ich zog also aus meinem beengten Wohnheimzimmer aus, in dem das WLAN nie richtig funktionierte, stattdessen in eine WG in der Stadt. Dort arbeitete ich unter der Woche an Artikeln und Social-Media-Content, die Wochenenden verbrachte ich in den Bergen. Ich hatte großes Glück, dass ich meine Arbeitszeiten flexibel einteilen konnte. Manchmal nahm ich mir den Nachmittag frei, um mit Freunden langlaufen zu gehen und arbeitete dafür abends. Was perfekt war, denn zu dieser Zeit herrschte in Frankreich Ausgangssperre ab 18 Uhr, abends passierte also meist sowieso nicht mehr viel außer gemeinsamem Kochen oder Filmabenden.

Berge machen süchtig

Umso mehr Zeit ich in den drei verschiedenen Gebirgsmassiven um Grenoble verbrachte, desto mehr verliebte ich mich in sie. Ich traf neue Leute. Und es fand sich eine Gruppe bergbegeisterter internationaler Studierender, die sich zusammentat. Plötzlich ging ich nicht mehr auf Schneeschuhwanderungen und zum Skifahren auf Pisten, deren Lifte wegen Corona nicht laufen durften. Nun ging ich Skitouren in Gebieten weit abseits der Zivilisation. Wir stiegen stundenlang aufwärts und fuhren unsere Spuren hinab in unberührte Powderhänge. Wir übernachteten in Berghütten mitten im Nirgendwo, betrachteten nachts die schneebedeckten Gipfel vor dem leuchtenden Sternenhimmel und standen vor Sonnenaufgang wieder auf den Ski. Das Abenteuer packte mich endgültig. Ich hatte Freunde gefunden, die mir so viel Neues zeigten und so viel beibringen konnten. In mir wuchs der Wunsch, ernsthafteres Bergsteigen zu betreiben, so richtig mit Seilen und Eisäxten.

Allmählich neigte sich mein Praktikum dem Ende zu und damit auch meine Zeit in Frankreich. In mir sträubte sich alles gegen den Gedanken, Grenoble zu verlassen und all die Skitouren zu verpassen. Wenn ich mein Praktikum online aus Frankreich machen konnte, wieso sollte ich das nicht mit dem nächsten Semester in Passau genauso tun? Also stellte ich mein Zimmer in Passau noch einmal zur Untermiete online. Ich war schon verzweifelt, weil sich selbst auf meine Anfragen hin niemand interessierte. Da meldete sich zum Glück eine Spanierin, die für ihr Erasmussemester nach Passau ging. Zwar hatte ich ursprünglich nur vor, mein Zimmer bis Mai zu vermieten, sie brauchte es allerdings bis zum Ende des Semesters. Die Entscheidung, es ihr bis August zu überlassen, damit ich länger in Frankreich bleiben konnte viel mir nicht schwer.

Sommer ist auch gut

Es ging also weiter mit dem Skifahren, den Bergen und den Abenteuern. Als es wärmer wurde, gingen wir zwar immer noch Skifahren, allerdings weniger. Wir widmeten uns noch einem anderen Hobby: dem Klettern. Nachmittags traf man sich irgendwo in der Stadt, alle auf alten Rennrädern und mit großen Rucksäcken. Wir fuhren zu irgendwelchen Felsen, um die Stadt herum gibt es jede Menge. Dort hingen wir Hängematten in die Bäume und aus einem Lautsprecher tönte entspannte Technomusik. Wir kletterten, lachten, entspannten, tranken Bier und aßen mitgebrachte Snacks. Nicht selten blieben wir bis es dunkel war, um dann mit Stirnlampen zu klettern oder kuschelnd aus der Hängematte den Sternenhimmel zu betrachten.

Es hat sich gelohnt zu bleiben. All die Abenteuer und Erfahrungen, die ich gemacht habe, die inspirierenden Menschen, die ich getroffen habe. Vor allem die Zeit, in der ich gar nicht mehr hier gewesen wäre, war eine sehr intensive für mich. Ich fühle mich hier in Grenoble zuhause. Leider kommt die Zeit hier nun tatsächlich zu einem Ende. Einige der Internationals sind schon zurückgereist und auch der Vertrag für meine Wohnung endet noch im Juni. Auch wenn es mir unendlich schwerfällt, diese Berge zurückzulassen und die guten Freunde zu verabschieden, ist es Zeit, weiterzuziehen. Und fürs Erste kann ich mich auf neue Berge freuen, denn die nächste Station für mich sind die spanischen Pyrenäen, in denen ich im Sommer arbeiten werde. Irgendwann komme ich aber auch sicher wieder nach Passau zurück, versprochen!

 

Fotos: Lisa Bartelmus