Lange, elegante Kleider bei den Frauen, Frack und Zylinder bei den Herren. Eine strikte Etikette, Bälle und Treffen nur in Begleitung. So, oder zumindest so ähnlich, sah das Datingleben vor rund 200 Jahren aus. Anschaulich macht dies die gehypte Netflix-Serie Bridgerton. Verpackt mit ein wenig Humor und jeder Menge Klatsch und Tratsch zeigt sie, wie schwierig es im 19. Jahrhundert für eine junge Dame der High Society war, sich auf dem Heiratsmarkt zu behaupten, um eine möglichst gute Partie zu machen. Aber nicht nur in der fiktiven Serie Bridgerton wird auf diese Motive gesetzt, sondern jetzt auch in einem neuen Reality TV Dating Format.
Die heutige Suche nach dem Partner oder der Partnerin fürs Leben folgt schon längst nicht mehr diesem strikten Reglement. Mittlerweile hangeln sich die meisten von One Night Stand zu One Night Stand und spielen dabei die gängigen Datingapps wie Tinder gleich mehrfach durch. Die Ernsthaftigkeit und die Suche nach Liebe geraten dabei oftmals in den Hintergrund. So auch bei den zahlreichen Datingshows welche Deutschlands Privatsender mittlerweile zu bieten haben. Sendungen wie Love Island, Take me out oder First Dates versprechen zwar immer, dass ihre Kandidat:innen die große Liebe finden wollen, dabei geht es den meisten wohl eher um mehr Follower:innen und Fame auf Instagram. Während also in der Zeit von Bridgerton vielmehr die elegante Suche nach einer vorteilhaften Partie im Fokus stand, ist das Datingleben im 21. Jahrhundert eher geprägt von schnellem, unkompliziertem Sex statt großer Liebe.
Genau diesen Gegensatz hat sich die neue Fernsehsendung Love is King angenommen, welche auf Joyn, dem Streamingangebot von ProSieben, zu sehen ist. Die Idee: Eine Datingshow im Stil von Bridgerton. Die kleine imaginäre Zeitreise soll den Kandidat:innen helfen, sich ganz aufeinander einzulassen, fernab von allem, wovon unsere schnelllebige Welt geprägt ist.
Folgende fünf Punkte sollen zeigen, wie ähnlich oder irgendwie auch wieder nicht sich Love is King und Bridgerton wirklich sind und ob durch eine Zeitreise ins 19. Jahrhundert tatsächlich der Partner fürs Leben gefunden werden kann.
Punkt 1: Die Outfits
Die sogenannte Regency-Ära, in der die Bridgerton-Serie spielt, war in Sachen Mode vor allem eines: bunt. So unvorstellbar das auch sein mag, da der Gedanke an vergangene Mode einem meist die tristen Kleider des Mittelalters vor Augen führt. Daphne Bridgerton als strahlende Protagonistin der ersten Staffel des Netflix-Erfolges zeigt jedoch, wie einerseits schlicht vom Kleidungsstil, aber andererseits doch auch aufregend die Kleider Anfang des 19. Jahrhunderts waren. Meistens brachte ein Band knapp unter der Brust das Dekollet perfekt zur Geltung und ließ dadurch den Rest des Kleides schlicht nach unten fallen. Eine Schleppe oder vielfältige Spitzenverzierungen vollendeten es schlussendlich als kleines Extra. Während Daphne meist jedoch in Pastellfarben glänzte, führte Penelope Featherington, die beste Freundin ihrer Schwester, mitsamt deren gesamten Familie die Farbenpracht der Regency-Mode aus. Vom knalligen gelb bis hin zu schillernden Orangetönen war alles dabei. Dennoch auch ihre Kleider dem grundlegenden Modestil dieses Zeitalters treu.
Bei den Gentlemen dagegen ist die Modelinie ziemlich starr. Frack und Zylinder stehen dabei im Mittelpunkt ihrer Outfits. Durch Halstücher in verschiedenen Farben oder Westen mit imposanten Stickereien kommt auch bei ihnen der Stil von bunter und detailreicher Regency-Mode durch.
Um den Teilnehmer:innen von Love is King also die bestmögliche Erfahrung zu bieten, wurden auch sie eingekleidet wie echte Prinzen und Prinzessinnen, die der Bridgerton-Zeit entsprungen sind. Während die Männer ausgestattet mit Frack und Zylinder in echte Gentlemen verwandelt wurden, wirkte das Budget von ProSieben bei den Kleidern der Damen wohl eher bereits vollends ausgeschöpft. Eines jeden Mädchens Traum ist es wohl, einmal ein echtes Prinzessinnenkleid zu tragen – da kommt die Fernsehsendung Love is King für die Kandidatinnen somit theoretisch recht passend. Das, was sie jedoch schlussendlich zur Schau stellen, erinnert vielmehr an eine Zeitreise durch vergangene Jahre voller Mode-Fauxpas. Die Outfits wirken recht wahllos und protzen nur so mit Stilbrüchen. Von den schönen Kleidern à la Daphne Bridgerton können die Kandidatinnen nur weiter träumen. Wenn man sie so nebeneinander sieht in ihren Kleidern, würden Zuschauer:innern viel mehr denken, sie schauen sich eben eine Abizeugnisvergabe mit anschließendem Abschlussball an. Das Einzige, was sowohl die Outfits der Teilnehmer als auch der Teilnehmerinnen aus der Regency-Mode übernommen haben, sind die kräftigen Farben. Die kommen definitiv nicht zu kurz.
Was zudem nicht unerwähnt bleiben sollte, sind die Frisuren der Kandidatinnen. Eine Daphne Bridgerton verzückt mit eleganten Hochsteckfrisuren, egal ob eher schlicht oder doch etwas pompöser. Die Love is King Teilnehmerinnen dagegen können froh sein, wenn ihre Haare von den Stylist:innen ein wenig gelockt wurden. Schöne Frisuren? – Definitiv Fehlanzeige!
Punkt 2: Die Kulisse
Während bereits bei der Kleidungsausstattung der Kandidat:innen von Love is King der Vergleich zu Bridgerton deutlich hinkt, so schließt sich die Kulisse dem gleich an. Mit Schloss Tüßling in Bayern wurde die Datingshow zwar in einem echten Schloss gedreht, doch da Deutschland im Ausland eigentlich für seine zahlreichen Burgen und Schlösser bekannt ist, könnte man da durchaus mehr erwarten. Im Vergleich zur teils beeindruckenden Kulisse von Bridgerton, welche unter anderem im Hampton Court Palace in London gedreht wurde, glänzt die Außenfassade von Schloss Tüßling eher mit Tristesse als mit Prunk.
Was jedoch definitiv nicht zu kurz kommt, ist die Innenausstattung der Love is King Kulisse. Neben einem pompösen Ballsaal voller Goldverzierungen an Decken und Wänden, ausgeleuchtet mit zahllosen Kronleuchtern, beherbergt das Schloss auch die Zimmer der Teilnehmer:innen. Streng nach Geschlechtern getrennt, so wie es auch die Etikette des 19. Jahrhunderts verlangt, sind die Kandidat:innen in prunkvollen Schlafsälen untergebracht. Diese stehen dem Ballsaal in ihrer Pracht in keinster Weise nach. Dabei kommt direkt die Vermutung auf, dass sich die Bühnenbildner:innen hier der Kulisse von Bridgerton bedient haben, denn diese gleichen einander überraschend stark.
Punkt 3: Der Königshof
Wie auch in der Netflix-Serie Bridgerton sind die Kandidat:innen bei Love is King nicht die einzigen Hauptakteure. Neben einer großen Dienerschaft, die den Liebessuchenden mit Rat und Tat zur Seite steht, wird das Schloss regiert von einer Königin und ihrem Gefolge. Bridgertons Königin Charlotte besticht immer wieder durch ihre auffälligen Looks und bunten Perücken. Königin Olivia, auch bekannt als Drag Queen Olivia Jones, steht ihr dabei in keinster Weise nach. Unterstützt wird sie von Nicole Engel und Philippe Lopez, welche für die standesgemäße Erziehung als auch die Etikette der Love is King Teilnehmer:innen zuständig sind. Während Königin Charlotte während der gesamten Saison immer ein Auge auf die heiratswilligen jungen Damen der High Society hat und eine durch die Wahl zum Juwel sogar besonders hervorhebt, hat auch Olivia die Kandidat:innen stets im Blick.
Etwas weiteres haben die beiden Königinnen auch noch gemeinsam: Die Eröffnung der Saison beziehungsweise der Staffel durch die Begrüßung der Kandidat:innen. In Bridgerton lädt Königin Charlotte alle jungen Damen, welche in die Gesellschaft eingeführt werden, also nun im heiratsfähigen Alter sind, in ihren Palast ein. Nacheinander muss eine jede von ihnen einen langen Gang entlang schreiten und schlussendlich vor ihr knicksen. Beobachtet wird sie dabei von der ganzen anwesenden High Society. So kann sich Königin Charlotte einen ersten Überblick über die Debütantinnen verschaffen und sich so bereits ihre Wahl zum Juwel der Saison überlegen.
Bei Love is King läuft das Ganze dann doch ein wenig privater ab. Ganz am Anfang der Sendung kommen die Kandidat:innen nacheinander, noch in ihrer Alltagskleidung, am Schloss an und werden von Olivia und ihrem Gefolge begrüßt. Anschließend folgt die sogenannte Verwandlung, bei der die Teilnehmer:innen in ihre Outfits gesteckt werden. Danach dürfen sie zum ersten Mal das Schloss betreten und sich, auch hier wieder streng nach Geschlechtern getrennt, einer ersten Etikette-Einführung durch die Berater der Königin unterziehen. Erst nachdem sie all dies durchlebt haben, treffen die Prinzen und Prinzessinnen zum ersten Mal aufeinander.
Punkt 4: Die Bälle
Bei regelmäßig stattfindenden Bällen, welche Königin Olivia gibt, müssen die Teilnehmer:innen von Love is King sich jedes Mal aufs Neue für einen Tanzpartner für den Abend entscheiden. Wer leer ausgeht, muss die Show leider verlassen. Getanzt wird dann nicht etwa Hip Hop oder Cha Cha Cha, sondern traditionelle Tänze, wie sie vor 200 Jahren getanzt wurden. Statt sich also während des Tanzens näher zu kommen, zeugen diese Tänze eher von Distanz.
Distanz entspricht der Etikette. So geht es demnach auch bei Bridgerton auf den beeindruckenden Bällen zu. Zurecht stellt sich die Frage, wie sich so Gentleman und Debütantin näher kennenlernen können. Die Antwort ist recht simpel: gar nicht. Ein tanzendes Paar konnte froh sein, wenn es währenddessen einmal die Gelegenheit hatte, drei Worte miteinander auszutauschen. Für die meisten Herren reichte dies aber meist schon aus, um ihre Herzensdame zu erwählen und ihr am nächsten Morgen, nach einem aufregenden Ball, direkt mit einem Strauß Blumen einen Antrag zu machen.
Ganz so schnell geht es bei Love is King dann doch nicht. Schließlich sind die Kandidat:innen hier auf wahre Liebe und nicht die schnelle Heirat einer möglichst vorteilhaften Partie aus.
Punkt 5: Die Aktivitäten
Bälle sind zwar schon vor 200 Jahren das gesellschaftliche Großereignis schlechthin, doch reicht es noch längst nicht aus, mit einem Gentleman den ganzen Abend zu tanzen, um am nächsten Morgen einen Heiratsantrag zu erhalten. Stattdessen ist die Kennenlernphase geprägt von Spaziergängen im Park, Konversation im Salon oder gemeinsamen Besuchen von gesellschaftlichen Ereignissen wie Teepartys oder Soireen.
Auch bei Love is King gehen die Kandidat:innen diesen, beinahe schon langweilig erscheinenden, Aktivitäten nach. Der einzige Unterschied: Sie stehen dabei nicht unter ständiger Beobachtung – zumindest keiner vor Ort, denn die Teilnehmer:innen werden dennoch stets von der Kamera begleitet, um alle interessanten Momente für die Zuschauer:innen einzufangen. Die verschiedenen Dates der Kandidat:innen reichen schlussendlich von einem romantischen Ausflug mit Pferden bis hin zum Picknick in der Natur. Eine wichtige Etikette-Regelung dürfen die Love is King Teilnehmer:innen dabei jedoch gern umgehen: Nähe zueinander in der Öffentlichkeit zeigen oder sich gar küssen – für die Bridgerton-Zeit wäre dies ein absolutes No-Go gewesen!
Was jedoch die Ernsthaftigkeit dieser Aktivitäten angeht, lässt sich durchaus daran zweifeln, ob diese alle Kandidat:innen so verstanden haben. Denn als das sogenannte Lustwandeln im Garten als nächster Punkt auf der Tagesordnung genannt wird, kann sich schon bei der bloßen Aussprache dieser Aktivität einer der Teilnehmer vor Lachen kaum halten. Die Anpassungsfähigkeit der Kandidat:innen an die Gepflogenheiten des Datinglebens im Bridgerton Stil sind somit noch deutlich ausbaufähig.
Trotz all der Unterschiede zum eigentlichen 19. Jahrhundert ist das Konzept der Show eine durchaus neue Herangehensweise an das große Thema Partnersuche. Wer jedoch eine lustvolle Romanze à la Bridgerton sucht, ist bei Love is King dann wohl doch eher an der falschen Adresse. Insgesamt erinnert die Show eher an eine Mischung aus einem Hauch von Reality-TV, Datingshow und historischem Film – alles in allem also schon eine etwas komische Kombi, bei der der Cringe-Faktor definitiv nicht zu kurz kommt. Wer also schon immer fand, dass das 19. Jahrhundert viel zu eingestaubt sei, und der Meinung ist, dass dies ein wenig aufgepeppt gehört, ist bei Love is King genau richtig.