Der Raum ist fast vollständig verdunkelt, das Publikum komplett still. Der erste Ton der unruhigen und immer schneller werdenden Musik erklingt und im selben Moment wachen die bis dahin erstarrten Frauen auf, bewegen sich noch langsam im Takt der Musik. Bis die Musik an Lautstärke und Geschwindigkeit zunimmt, wie die Bewegungen der Darsteller: Ruckartig, zu Ende beinahe unmenschlich erscheint es, wie sie ihren Pflichten als Frauen nachgehen: Putzen, nähen und kochen.
Wir schreiben das Jahr 1759: Ein Komet rast auf die Erde zu, während neun Frauen in einem englischen Dorf ins Gericht berufen werden, um ein Urteil zu fällen. Sally Poppy (Malaika Lermer) wird von ihrem Ehemann (Philip Brehse) des Mordes an einem jungen Mädchen beschuldigt, den sie mit ihrem Liebhaber begangen haben soll – es droht die Todesstrafe. Die Schuld der Angeklagten scheint festzustehen. Einzig, dass sie vorgibt von ihrem Komplizen schwanger zu sein, bewahrt die Frau vor dem Galgen. Sally, die sich zu Beginn weigert auch nur ein Wort mit ihren Richterinnen zu wechseln, streitet den Mord nicht ab. In der zweiten Szene sieht man sie sogar den Zopf des ermordeten Mädchens halten, während sie mit blutverschmiertem Kittel vor ihrem Mann steht.
Die Aufgabe der Frauen, Sallys Schwangerschaft entweder festzustellen oder auszuschließen, stellt sich anfangs jedoch als beinahe unmöglich heraus. Die um sich schlagende und angekettete Frau verweigert das Gespräch – bis die Hebamme Lizzy (Julia Reisser), eine der berufenen Frauen, ruhig auf sie einspricht. Im Gespräch wächst nicht nur das Vertrauen, sondern es werden auch nach und nach Geheimnisse gelüftet, die die neun Frauen (gespielt von Julia Reisser, Nele Wirth, Lara Pauli, Tekla Farkas und Olga Tomkwiak) mit sich tragen.
Schon in der ersten Szene wird die Stellung dieser Frauen in der Gesellschaft klar: Judith Bewer soll putzen, die Hebamme Lizzy die Wäsche waschen und Kitty Givens (Lara Pauli) müht sich mit dem Kochen für ihren Ehemann und die Kinder. Nur als Expertinnen in puncto Schwangerschaft spielen sie eine Rolle in der Gesellschaft und werden unfreiwillig ins Gericht berufen.
Das Himmelszelt von Lucy Kirkwood ist ein fesselndes, spannendes Drama – auf einen Plot-Twist folgt der nächste. Es ist geprägt von Intrigen und Spannungsverhältnissen und durch die Inszenierung der Athanor Akademie, bei der Florin Vidamski Regie führte, oft witzig und immer noch sehr aktuell. Die Schauspieler:innen begeisterten mit ihrer Professionalität und ihrem Talent, nicht nur zu schauspielern, sondern auch zu singen. Denn als in dem letzten Akt die Darsteller:innen gemeinsam das Kult-Lied ,,Running up that hill“ anstimmten, hatte wohl jeder im Publikum Gänsehaut. Und auch nach der letzten Szene brach das Publikum in andauernden Applaus aus, während der ein oder andere heimlich einzelne Tränen aus den Augenwinkeln wischte.