Ein Freund ist gerade im Urlaub, ein anderer auf einem Konzert, der Nächste in einem Café. Man klickt sich von Story zu Story und sieht, wo seine Freunde sind und was sie schon wieder unternehmen, während man selbst nur in seinem Bett liegt und auf sein Handy starrt. Zusätzlich sieht man, was lose Bekanntschaften oder sogar nur irgendwelche Influencer erleben und wie aufregend die Leben aller anderen im Vergleich zum Eigenen sind. Anschließend fühlt man sich ausgeschlossen, vielleicht sogar einsam?
Doch handelt es sich dabei nur um eine „Fear of missing out“ (FOMO) oder macht Social Media tatsächlich einsam?
Gefahren sozialer Medien
Besonders von Generationen der „Digitial Natives“ hört man häufig, dass Social Media dem echten Leben im Weg stünde und Internetfreundschaften keine echten sozialen Beziehungen ersetzen würden. Daher kommt auch häufig der Vorwurf, dass Social Media einsam machen würde. Statt sich mit jemandem zu treffen, sehe man anderen nur beim Leben zu und könne keine echten Kontakte knüpfen.
Studie der University of Pittsburgh
Laut einer Studie der University of Pittsburgh aus dem Jahr 2017 besteht eine Verbindung zwischen Social Media und steigender Einsamkeit bei jungen Menschen. Für die Studie wurden über 1800 Amerikaner:innen zwischen 19 und 32 Jahren befragt. Festgestellt wurde dabei, dass Personen, die mehr Zeit auf Social Media-Plattformen verbringen, sich eher einsam fühlen. Personen, die über zwei Stunden täglich auf Plattformen wie Instagram, Snapchat, Twitter (heute X) oder Youtube verbringen, sind anfälliger für Einsamkeit als diejenigen, die weniger als eine halbe Stunde täglich darauf verbringen. Laut der Studie sind Ursachen dafür, dass Gefühle von Ausgeschlossenheit und Eifersucht begünstigt werden. Außerdem würden wir durch unsere Zeit online weniger Face-to-Face Gespräche führen, was ebenfalls einen unterstützenden Einfluss für Einsamkeit haben kann.
Allerdings gilt die Studie der University of Pittsburgh nicht als ausreichender Beleg für die These, dass Social Media tatsächlich einsam macht. Vor allem dem möglichen Problem, dass wir durch Social Media weniger persönlichen Kontakt hätten, wird entgegengebracht, dass wir Online-Plattformen meist dann nutzen, wenn wir ohnehin allein sind. Verbringen wir neben unserem Online-Leben auch Zeit mit Freunden und in der Realität, ohne uns einsam zu fühlen, sollte Social Media dieses Gefühl nicht auslösen. Fühlt man sich allerdings generell einsam, kann dies zu einem Rückzug aus der sozialen Welt führen. Der erhöhte Konsum sozialer Medien kann das Gefühl der Einsamkeit dann verstärken.
Vielleicht weniger einsam als FOMO […]
Reni
Eine wachsende Gefahr für junge Menschen, die auch zur Grundlage von Einsamkeit werden kann, ist die sogenannte FOMO, die Fear of missing out. Dabei kommt es zu einer Angst davor, etwas zu verpassen, die in Extremfällen zu einer Abhängigkeit von sozialen Netzwerken führen kann. Da Betroffene von FOMO häufig an einem geringen Selbstwertgefühl leiden und sich zurückziehen, leiden viele auch unter Einsamkeit.
Social Media gegen Einsamkeit
Mittlerweile sehen Forschende in den sozialen Netzwerken nicht mehr nur eine Gefahr, sondern auch neue Chancen gegen Einsamkeit. Das bekannteste Beispiel für die Möglichkeiten, die sich aus Online-Plattformen ergeben, ist vermutlich die Corona Krise. Viele junge Menschen, besonders Schüler:innen und Student:innen, konnten während der Pandemie weder ihre Freund:innen treffen, noch ihren Hobbys nachgehen. Nicht mal mehr in der Schule oder der Universität konnte man soziale Kontakte pflegen, da man teils wochenlang allein zu Hause festsaß. Mehrere Studien belegen, dass die Einsamkeit unter jungen Menschen während der Pandemie und vor allem im Jahr 2020 stark angestiegen ist.
Vielen jungen Menschen blieb während der Lockdowns nur der Kontakt über Social-Media-Plattformen. WhatsApp, Instagram, Snapchat und Co. ermöglichten es überhaupt noch am Leben von Freund:innen teilzuhaben und der Einsamkeit entgegenzuwirken. Viele Veranstaltungen konnten erst durch solche Plattformen durchgeführt werden, wie beispielsweise die virtuelle Orientierungswoche 2020 an der Universität Passau.
Ich kann mich eher mit meinen Freunden connecten, als dass ich mich online einsam fühle
Madita
Aber auch außerhalb der Corona-Zeiten ergeben sich weitere Möglichkeiten, der Einsamkeit entgegenzuwirken. In Interviews mit mehreren Student:innen der Universität Passau gaben alle an, das insbesondere die Kommunikation über Distanz durch soziale Netzwerke erleichtert werde. Besonders für Student:innen, die für ihr Studium in neue Städte ziehen, besteht die Gefahr, sich in der neuen Umgebung einsam zu fühlen. Auch über die Zeit und mit neuen Freund:innen kann das Gefühl von Einsamkeit bleiben. Social Media kann dabei helfen den Kontakt zu alten Freund:innen über die Distanz zu erhalten und die Möglichkeit bieten, neue Freundschaften zu schließen. Im Gegensatz zu Telefonaten oder reinen Chatnachrichten ermöglichen Bildplattformen wie Instagram oder Snapchat zudem direkte Einblicke in Alltagsausschnitte oder Erlebnisse von Freund:innen. Auch Gruppen und Veranstaltungen lassen sich über solche Plattformen organisieren und verbreiten.
Zudem gab die Mehrheit der Teilnehmer:innen der Interviews an, nur Follower zu haben, die sie auch im echten Leben kennen oder klar zwischen echten und online Freunden zu trennen. Die sozialen Netzwerke werden daher hauptsächlich dazu genutzt, echte Freundschaften zu erhalten oder zu vertiefen.
Auch wenn in der Forschung noch nicht bestätigt ist, ob Social Media wirklich einsam macht, sollten soziale Medien in Bezug auf FOMO und Einsamkeit bewusst genutzt werden und nur in Kombination mit persönlichen Kontakten stattfinden. Trotzdem bietet Social Media viele Möglichkeiten Menschen zu verbinden und Einsamkeit zu verhindern. Zusammenfassend zeigt sich, dass sich für junge Menschen in den sozialen Netzwerken viele Chancen bieten, man die Gefahren in Bezug auf Einsamkeit aber nicht unterschätzen darf.
Teil 5 unserer Comicserie Einsamkeit – eine stille Epidemie von Veronika Bigler