Viele unterschiedliche Wahlplakate zieren die Passauer Innstraße. An den Laternen versuchen Parteien, die Aufmerksamkeit der wählenden Personen auf sich zu ziehen – möglichst auf dem Punkt gebracht und ansprechend gestaltet. Denn es ist wieder so weit: Am 23. Februar 2025 sind Bundestagswahlen. Ein Grund sich die Plakate der etablierten Parteien einmal genauer anzusehen. Wie wurden die Sprüche auf den Werbemitteln ausgewählt und welchen Themenfokus setzen die jeweiligen Parteien?
Liberté, Egalité, Aktienrenté
Die meisten werden die Anspielung der FDP auf die französische Parole liberté, égalite, fraternité sofort erkennen. Die Referenz wird auf dem Plakat auch nicht weiter erklärt. Sie stellt eine kulturelle Verbindung zu Frankreich her und schafft ein Zugehörigkeitsgefühl für diejenigen, die die Anspielung verstehen. Die Originalparole stammt aus der französischen Revolution und bedeutet so viel wie Freiheit, Gleichheit und Brüderlichkeit. In Deutschland wurde die Phrase bereits öfter entliehen. So warben die Grünen mit Freiheit, Gleichheit, Schwesterlichkeit im Wahlkampf zur Europawahl 2019 mit diesem Slogan. Im Grundsatzprogramm der SPD steht zudem Freiheit, Gleichheit, Solidarität. Damit wird auf die Solidargesellschaft verwiesen, deren Kern das Sozialversicherungssystem ist. Und so kommt bei der FDP der abgewandelte Aspekt der Aktienrente ins Spiel: Sie soll die gesetzliche Rentenversicherung unterstützen und langfristig stabilisieren. Dabei legt die Bundesrepublik Deutschland mit Hilfe von Darlehen und Eigenmittel Fonds am Kapitalmarkt an. Die Ausschüttungen daraus werden als zusätzliche Mittel zu den Rentenversicherungsbeiträgen angesehen. Die erste Ausschüttung ist ab dem Jahr 2036 geplant.
Unser Land verdient mehr Wohnungen
Das Bündnis Sahra Wagenknecht schafft es mit einer Vermenschlichung einen Zusammenhang zwischen den Bewohner:innen und Deutschland zu erschaffen. So steht „unser Land“ für alle in ihm lebenden Personen. Dem Wahlplakat zu entnehmen ist also, dass die deutschen Bürger:innen es verdienen, mehr Wohnungen zur Verfügung zu haben. Laut der Hans Böckler Stiftung fehlen in 77 deutschen Großstädten fast 2 Millionen günstige Wohnungen. Dabei ist der größte Mangel in Berlin, Köln und Hamburg zu verzeichnen. Dieses Problem gibt es schon länger, jedoch verschlimmerte sich der Wohnungsmangel durch steigende Zinsen und höhere Baukosten noch mehr. Aber nicht nur die Wohnungsnot belastet die Bürger:innen der BRD, auch die hohen Wohnkosten machen ihnen zu schaffen. Durch höhere Mieten und Nebenkosten rutschen immer mehr Menschen in die Armut. Durchschnittlich mussten Mietende im Jahr 2024 24,5% ihres Nettoeinkommens für ihre Miete aufbringen. Bei der armutsgefährdenden Bevölkerung waren es sogar im Schnitt 44,1% des Lohns. Der Satz „Aber die alten Parteien haben versagt!“ spielt auf das Versprechen der Koalition an, jährlich 400.000 günstige Wohnungen zu bauen. Im Jahr 2024 wurden jedoch von der Ampelregierungen nur 250.000 Wohnungen gebaut.
Mit Sicherheit mehr Netto
Die SPD fordert mit ihrem Wahlspruch weniger Steuern auf Löhne und Lebensmittel. Sie setzen „Sicherheit“ und „Netto“ durch den Parallelismus in Zusammenhang und verstärken dadurch ihr Versprechen auf weniger Steuern. Das größte Steuereinkommen in Deutschland wird durch die Gemeinschaftssteuern eingenommen. Das sind die Steuern, die sowohl Bund als auch den Ländern zustehen. Sie umfassen Lohnsteuer, Einkommenssteuer sowie Umsatzsteuer und Einfuhrumsatzsteuer. Dabei waren 2023 die ertragsreichsten Steuern die Lohnsteuer mit 236,3 Milliarden und die Umsatzsteuer mit 291,4 Milliarden Euro. Einkommens- und lohnsteuerpflichtig waren laut Statistischem Bundesamt im Jahr 2020 42 Millionen Menschen in Deutschland. 2025 gab es zwei Änderungen im Bereich der Einkommenssteuer. So wurde der Grundfreibetrag auf 12.096€ und der Kinderfreibetrag auf 9.600€ angehoben. Die im Wahlplakat angesprochene Lohnsteuer ist eine Sonderform der Einkommenssteuer. Sie wird am Ende des Jahres bei der Einkommenssteuer verrechnet. Die durchschnittlichen Abgaben für Arbeitnehmende waren im Jahr 2023 bei 31,6% des Lohns. Wie hoch sie jedoch wirklich sind, hängt von den sechs Steuerklassen, der Konfessionszugehörigkeit, dem Bundesland und der Krankenkasse ab. Auch bei der Mehrwertsteuer hängt die Besteuerung vom Lebensmittel ab. Grundsätzlich liegt sie bei 19% in Deutschland. Jedoch werden Waren des alltäglichen Bedarfs mit nur 7% besteuert. Dies soll die Bürger:innen bei Produkten entlasten, die sie viel oder täglich verwenden. Es gibt allerdings auch Kritik an der 7%-Besteuerung, da diese zu weilen etwas willkürlich wirkt. So ist beispielsweise Kuhmilch weniger besteuert als pflanzliche Alternativprodukte. Es gibt also bereits einige Entlastungen für den Steuerzahlenden. Diese will die SPD noch weiter ausbauen.
Ist dein Einkauf zu teuer, macht ein Konzern Kasse
Die Inflation in Deutschland betrug im Jahr 2024 2,2%, die Lebensmittelinflation stieg um 1,3%. Insgesamt hat sich die Inflation verlangsamt, jedoch sind Lebensmittel um etwa 30% teurer als noch vor drei Jahren. So sind zum Beispiel die Preise für Gurken im Vergleich zu 2023 um 11,7% und Orangensaft um 20,5% gestiegen. Gründe für diese Teuerung können höhere Kosten für Energie, Düngemittel oder Futtermittel sein. Auch der Arbeitskräftemangel und der gestiegene Mindestlohn tragen zur Verteuerung bei. Zudem verursacht der Klimawandel immer häufiger Missernten. Trotzdem streichen Lebensmittelkonzerne Rekordgewinne ein. Eine Analyse des Handelsblatts der 70 größten europäischen Konsumgüterunternehmen, die ihre Geschäftszahlen veröffentlichten, ergab eine Gewinnsteigerung bei diesen. Die Verbraucherzentrale fordert deshalb die Regierung und das Bundeskartellamt auf, die Preisentwicklungen im Lebensmittelsektor zu beobachten und versteckte Preissteigerungen zu untersuchen. Einen Lösungsansatz zeigen die Länder Griechenland und Kroatien. Diese haben eine Obergrenze für Lebensmittelpreise eingeführt, wodurch die Preise um bis zu 30% gesunken sind. Oft steckt die Steigerung des Preises jedoch nicht im Anstieg vom eigentlichen Preis, sondern in einer veränderten Rezeptur oder einer kleineren Packungsgröße. Genau auf diese Probleme macht Die Linke mit ihrem Wahlplakat aufmerksam. Sie unterstreicht mit der Antithese „teuer“ und „Kasse machen“, dass Unternehmen Gewinne durch unbegründete Preisteuerungen einfahren. Durch den fettgedruckten ersten Satz erkennt man, dass sie sich auf die Preissenkung der Lebensmittel konzentrieren wollen.
Frieden in Freiheit: Sichern!
Mit dieser Alliteration legen die Grünen das Augenmerk auf den Krieg und fordern zum Frieden auf. Bereits im Wahlkampf 2021 warben sie mit dem dem Spruch „Keine Waffen und Rüstungsgüter in Kriegsgebiete“. Laut einer Studie flohen bisher 6,8 Millionen Menschen aus der Ukraine. Dabei haben Polen, Rumänien, die Slowakei, Ungarn und Moldau die meisten Flüchtlinge aufgenommen. In Deutschland leben laut dem statistischen Bundesamt 1.245.000 Ukrainer:innen. Der UN nach zu Folge wurden Stand 31.12.2024 insgesamt 12.456 Menschen aus der Ukraine im Krieg getötet und 28.382 ukrainische Bürger:innen verletzt. Der völkerrechtswidrige Angriffskrieg Russlands gegen die Ukraine herrscht nun schon seit dem 24. Februar 2022. Seitdem haben zahlreiche Länder eine Beendigung des Krieges gefordert. Um dies zu erreichen, verlangen viele Verhandlungen. Dabei wird China, die Türkei oder Israel als Vermittler genannt. Schon 2023 schlug China eine Waffenruhe in Form eines 12-Punkte-Plans vor. Die internationalen Sanktionen sollen dabei unterlassen werden, und Russland soll seine Truppen zurückziehen. Außerdem soll die Ukraine ihren Neutralitätsstatus beibehalten und keine weiteren Bündnisse, wie mit der NATO oder EU, eingehen. Ein weiterer Friedensansatz war die föderale Ukraine. Dabei sollen, wie im Minsker-Abkommen festgehalten, die besetzten Regionen Donezk und Luhansk einen Sonderstatus erhalten. Jedoch lehnte der ukrainische Präsident diese Lösung ab, da die Gebiete von Russland annektiert wurden und er somit nicht für einen Sonderstatus bereit war. Die Grünen fordern genau diesen Frieden in Freiheit. Sie setzen sich für die Beendigung von Kriegen ein und fordern Frieden für die in den Ländern lebenden Menschen. Die Bemühungen um eine Beendigung des Krieges in der Ukraine sind aber bis jetzt noch nicht geglückt.
Migration begrenzen, Wirtschaft fördern, Bundeswehr stärken
2024 lag der Verteidigungshaushalt bei insgesamt 71,75 Milliarden Euro. Er setzt sich aus 51,95 Milliarden Euro Verteidigungsetat und 19,8 Milliarden Euro Sondervermögen zusammen. Er ist zum Vorjahr, wie in den vergangenen Jahren auch schon, um 1,83 Milliarden Euro gestiegen. Dadurch erreichte Deutschland zum ersten Mal die 2%- Vorgabe der NATO. Hierbei sollen die Mitgliedsstaaten 2% ihres Bruttoinlandsproduktes in die Verteidigung investieren. Dafür beschloss Deutschland im Jahre 2022 ein Sondervermögen für die Bundeswehr. Es umfasst 100 Milliarden Euro und soll zur Stärkung der Bündnisse und der Verteidigungsfähigkeit eingesetzt werden. Der Verteidigungshaushalt setzt sich aus vier Kategorien der Ausgaben zusammen: Betriebsausgaben, Betriebsverträge zur Weiterentwicklung der Bundeswehr sowie investive Ausgaben und Versorgungsausgaben. Die Hauptausrüstungsausgaben sowie Ausgaben für Forschung und Entwicklung sind laut des Datenjournalisten Matthias Janson zwischen 2022 und 2023 um 6,7% gestiegen. Der Anteil der Personalkosten wurde reduziert. Laut des SPD-Parlamentariers Wolfgang Hellmich reiche der Verteidigungsetat für alle angestoßenen Beschaffungsvorhaben und laufenden Truppen nicht aus. So müsse der Etat auf 80 Milliarden Euro erhöht werden. Diese Forderung dürfte die CSU ihrem Wahlplakat zufolge zustimmen. Durch den Parallelismus schafft sie besondere Dringlichkeit für ihre Anliegen. Der Zusatz „Deutschland wieder in Ordnung bringen“, spielt darauf an, dass die CSU mit der Arbeit der derzeitigen Regierung unzufrieden ist und es besser machen will. So wollen sie unzufriedenen Wählenden für sich gewinnen.
Zeit für sichere Grenzen
Der Wahlslogan der AfD ist sehr verkürzt und dadurch noch mehr auf die Forderung konzentriert. Deutschland hat, um eine reibungslose Zusammenarbeit mit Nachbarstaaten zu gewährleisten, bilaterale Abkommen zur Polizeiarbeit mit den Nachbarländern geschlossen. Grenzüberschreitenden Polizeimaßnahmen, wie Observation, gemeinsame Einsatzformen, gegenseitiger Informationsaustausch und personelle Unterstützung sind nur einige Beispiele dafür. Außerdem setzt sich die Europäische Union für eine gemeinsame Sicherheitsstrategie ein. So soll länderübergreifend Terrorismus sowie Schwerkriminalität bekämpft und eng bei der Strafverfolgung, der Grenzverwaltung, dem Zivilschutz oder dem Katastrophenmanagement zusammengearbeitet werden. Prominente zentrale Initiativen sind zum Beispiel Europol oder Frontex. Der Grenzschutz in Deutschland besteht vor allem aus der Kontrolle der luft- und seeseitgen Schengenaußengrenze. Außerdem werden an internationale Flughäfen Personal, Fluggast- und Warenkontrollen durchgeführt. Durch diese Maßnahmen und Abkommen tut Deutschland einiges, um Sicherheit an deutschen Grenzen und darüber hinaus zu gewährleisten. Die AfD fordert dennoch weitaus schärfere Maßnahmen an den deutschen Grenzen und macht mit ihrem Wahlplakat darauf aufmerksam.
Die etablierten Parteien setzten sich mit unterschiedlichen Themen auseinander und richten ihren Fokus auf verschiedene Aspekte in Deutschland. Von Wohnungsmangel über Besteuerung bis hin zu Migrationspolitik – sie versuchen möglichst auf dem Punkt und klar ersichtlich ihre Themen an die Wählenden bringen. Das ist auch wichtig bei dieser Art von Wahlwerbung, da Plakate oft an Straßen hängen, an denen man mit Autos entlangfährt oder zu Fuß daran vorbeispaziert. Wahlplakate müssen also den Wählenden in wenigen Sekunden auf sich aufmerksam machen und ihm oder ihr im Gedächtnis bleiben. Ob die Plakate nun wirklich einen Einfluss auf das Wahlverhalten der Deutschen haben, lässt sich empirisch schwer feststellen. Jedoch ergab eine repräsentative Umfrage der Konrad-Adenauer-Stiftung nach der Bundestagswahl 2021, dass über 92% der Befragten Wahlplakate wahrgenommen hatten. Ob dies ihre Wahlentscheidung beeinflusst hatte, geht aus der Studie nicht hervor. Doch ganz egal welche Themen, Sprüche oder Plakate einen nun ansprechen, ob sie das Wahlverhalten beeinflussen oder nicht, das Wichtigste ist am 23. Februar in die Wahlkabine zu gehen und sein Kreuz zu setzten.