Vor fast genau einem Jahr, am 19. Mai 2016, hatte die Universität Passau die Ehre, die Aufmerksamkeit sämtlicher deutscher Medien auf sich zu ziehen. Auch unter den Studierenden gab es kein anderes Thema mehr. Denn: der erste hausgemachte Uni-Passau-Shitstorm war geboren. Wir haben uns mal angeschaut: Wer hat den Shitstorm damals eigentlich ausgelöst?
Die Aufregung war groß, der Redebedarf enorm. Es gab sogar einen eigenen Hashtag! #fensterlgate! Und das alles, weil sich die Universitätsleitung bzw. die Gleichstellungsbeauftragten der Uni, Claudia Krell, und die Sportstudenten uneins waren. Letztere hatten geplant, während des alljährlichen Campusfestes einen Fensterln-Wettbewerb zu veranstalten, bei dem nur Männer teilnehmen sollten. Krell äußerte Kritik daran und forderte, auch Frauen zuzulassen. Als die Sportstudenten die Veranstaltung daraufhin absagten, hagelte es im Netz Kritik an Krell. Das ging so weit, dass sie persönlich beleidigt und angegriffen wurde. Dabei war die Aufforderungen, sie solle sich einen Beruf „oberhalb des Weißwurstäquators“ suchen oder Putzfrau werden, noch harmlos. Die Sportstudenten erhielten hingegen massenhaft Lob – jedoch von ungewollter Seite.
Den Jahrestag der Ereignisse nahmen wir zum Anlass, uns noch einmal genau anzusehen, wer den Shitstorm damals eigentlich ins Rollen gebracht hatte. Aufgrund der massiven Berichterstattung ging diese kleine, aber wichtige Information nämlich an vielen – jedenfalls an uns, in der Redaktion – vorbei.
Ein Post auf der Facebook-Seite der „Sportstudenten Passau“ hatte den Shitstorm ausgelöst. Mehr als 180 Menschen kommentierten ihn, 483 mal wurde er geteilt – und zwar innerhalb weniger Tage. Was waren das für Leute? Eine nähere Betrachtung der „Shitstormer“:
- „Erhaltet eure Traditionen“
Wer ist das?
„Diese Seite hat Sinn und Zweck unsere Traditionen zu erhalten und sich gegen ungerechtfertigte Verbote zur Wehr zu setzen.“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Offen fremdenfeindliche Seite, die sich politischen Themen widmet.
Indiz Nummer 1: Profilfoto à la Blackfacing
Indiz Nummer 2: Verbreitung von Fake-Nachrichten die Angst verbreiten sollen à la „Muslime verlangen Verschiebung deutscher Feste wegen Ramadan!!!“.
Wie wurde der Post geteilt?
„Tja. Selbst eine Uni kann von ungebildeten Blöd ???? irgendwas (will ja keinen diskriminieren) geführt werden!!!!“ (Anm. d. Red.: Hilfreich könnte hier die Wutbürgertastatur sein)
Wie erfolgreich ist die Seite?
30 Likes
- „Politik und Soziales“
Wer ist das?
„Politik und Soziales versteht sich als Infoportal. Meldungen, Nachrichten und Ereignisse aus der Region, dem Land und der Welt.“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Eine Ein-Mann-Seite, die sich grundsätzlich gegen die Politik der Mitte positioniert und die AfD unterstützt. Beispielhaft dafür: das Profilbild, auf dem Merkel, Gabriel, de Maizière und Co. mit „Schuldig“-Schriftzügen auf der Brust zu sehen sind. Überschrift: „Politiker sind eine wahre terroristische kriminelle Vereinigung“ (Grammatik olé)
Wie wurde der Post geteilt?
„Der Wahnsinn findet kein Ende !!“
Wie erfolgreich ist die Seite?
592 Likes
- „Rahnsdorfer Widerstand“
Wer ist das?
„Der Rahnsdorfer Widerstand vertritt und verteidigt die Interessen besorgter Bürger aus Rahnsdorf/Hessenwinkel/Wilhelmshagen.“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Facebookseite, die als Adresse einen Ort in Californien angibt und fremdenfeindliche und rassistische Inhalte teilt. Außerdem stellt sie Formblätter zur Verfügung, mit der man die AfD unterstützen kann. Über allem prangt ein Titelbild mit Deutschland- und Pegida-Flagge.
Wie wurde der Post geteilt?
Ohne Kommentar
Wie erfolgreich ist die Seite?
432 Likes
- „Identitäre Bewegung Bayern“
Wer ist das?
„Als europaweite Jugendbewegung mit mehreren hundert Aktivisten ist die Identitäre Bewegung Teil einer außerparlamentarisch handelnden Jugend, die auch in Deutschland aktiv ist. Es geht ihr um die Bewahrung der ethno-kulturellen Identitäten Europas. […] Sie will den politischen Diskurs weg von einer alternativlosen Politik der Globalisierung, Vermassung und konsumorientierten Individualisierung, wieder hin zu gelebter Demokratie und zu Heimatverbundenheit führen.“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Der bayerische Ableger der Identitären Bewegung, was laut Wikipedia „mehrere lose verbundene rechtsextreme bzw. völkisch orientierte Gruppierungen“ sind, die „von der Neuen Rechten entwickelte Ideen des Ethnopluralismus (= Bestrebung, Kulturen „rein“ zu halten) aufgreifen“.
Mit welchen Worten wurde der Post geteilt?
„Gendert uns nicht voll“
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2383 Likes
- „NPD Landesverband Bayern“
Wer ist das?
„Die offizielle Seite der NPD LV Bayern bei Facebook. Die NPD ist eine nationale und soziale Partei. Sie nimmt unmittelbar am politischen Willensbildungsprozess teil. Die NPD engagiert sich, damit in Deutschland wieder Oberhoheit der Deutschen hergestellt wird. Sie steht für Identität, Freiheit, Gerechtigkeit.“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Der traurige Nachfolger der NSDAP, der eine völkisch-nationalistische Ideologie verfolgt.
Wie wurde der Post geteilt?
„Was meint Ihr dazu? Hinterlasst doch einmal einen Kommentar auf der Seite der Sportstudenten aus Passau. Genderwahn kennt keine Tradition! Wir schon.“
Wie erfolgreich ist die Seite?
11.820 Likes
- „AfD Rheinland-Pfalz“
Wer ist das?
„Alternative für Deutschland, Landesverband Rheinland-Pfalz – Mut zur Wahrheit!“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Wer sich die letzten Monate im Winterschlaf befunden hat und eine kleine Auffrischung benötigt: Bitteschön. Besonders empfehlenswert ist Kapitel 7.6.
Wie wurde der Post geteilt?
„Man glaubt es nicht!“
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- „German Defence League“
Wer ist das?
„Die German Defence League: Gegen den politischen Islam in Europa! Für Grundgesetz und Menschenrechte! Wir, die German Defence League, sind Menschen, Bürger, Aufklärer, Freidenker, die es satt haben, tatenlos zuzusehen, wie in ihrer Heimat, Geschichte, Kultur, Werte und Traditionen von einer menschenverachtenden Ideologie zerstört und verdrängt werden. Dies wird durch die politische Korrektheit unserer versagenden Regierung auch noch mit voller Kraft unterstützt. Das dulden wir nicht länger und dagegen wehren wir uns!“ (Eigenbeschreibung auf Facebook)
Wer ist das wirklich?
Die Seite ziert ein Banner mit Pegida-Flagge, darum sind die Wappen der deutschen Bundesländer angeordnet. Der Feed ist gespickt von Flüchtlings-Videos, FPÖ-Wahlkampf und geteilten Artikeln von Online-Medien. Lieblingskommentar unter Focus-Artikel zum Thema „Erdogan-Berater droht EU mit Aufkündigung sämtlicher Abkommen“: „Und dann gleich auch alle Türken aus Europa zurück nach Anatolien.“
Wie wurde der Post geteilt?
Ohne Kommentar
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Und das ist nur ein kleiner Teil der Gruppierungen, die auf den fahrenden Anti-Gender-Zug aufsprangen. Die Nazi-Schmankerl, sozusagen. Schnell wird klar: die Themen „Gleichstellung“ und „Gender“ polarisieren.
Ein scheinbar harmloser Wettbewerb wie das „Fensterln“ führte zu Hass und Beschimpfungen. Wie kann es sein, dass ein paar rechte Gruppen es mit wenigen Klicks schafften, sogar Horst Seehofer und Ilse Aigner in den Fall zu verwickeln? Ihr Wirken in sozialen Medien sollte nicht unterschätzt werden. Wie schnell Stimmung in eine bestimmte Richtung gemacht werden kann, zeigen die Ereignisse. Umso wichtiger ist ein respektvoller Diskurs über Themen wie Gleichberechtigung. Schnell kann es passieren, dass man rechtes Gedankengut aufgreift, obwohl man doch nur mal kurz sagen wollte, „dass Frauen sich nicht so anstellen sollen“.
Natürlich ist nicht jeder, der das Verhalten der Gleichstellungsbeauftragten kritisierte, rechts. Aber der rechte Einschlag der Unterstützer, die sich das Thema „Hass auf Feministinnen“ auf die Fahne schrieben, ist ganz offensichtlich. Woher der Hass kommt, lässt sich kaum beantworten. Berechtigt ist er jedenfalls nicht.
Übrigens: Die Sportstudenten distanzierten sich nach der Welle an beleidigenden Kommentaren sofort von dieser Diskussionsrichtung und stellten klar, dass sie sich nicht für politische Aussagen missbrauchen lassen. Trotzdem erhielt Claudia Krell noch Monate später Hassbriefe.
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