Hinter einem Aquarium mit bunten Fischen im Eingangsbereich stapeln sich die Parteiprogrammheftchen auf einem Tisch und werden großzügig verteilt. Langsam füllt sich das chinesische Restaurant mit etwa 40 Teilnehmern und das aufgebaute Abendbuffet mit gebratenen Nudeln, Frühlingsrollen und Ente süß sauer stärkt für die folgende Sitzung.
Am vergangenen Donnerstagabend versammelte sich der Kreisverband Passau-Freyung-Grafenau der AfD im China-Restaurant Mandarin. Damit war die AfD seit längerer Zeit mal wieder in der Stadt Passau, nachdem ihnen mehrere Wirte ihr Lokal als Veranstaltungsort verweigert hatten. Als Rednerin war Petra Federau, ehemalige Spitzenpolitikerin der AfD Mecklenburg-Vorpommern und Sprecherin bei PEGIDA, eingeladen.
Unter den überwiegend älteren Teilnehmern fallen zwei junge Frauen auf. Sie sitzen etwas abseits und beobachten das Geschehen. So richtig zu kennen scheinen sie niemanden. ,,Wir wollten uns einfach mal informieren und uns selber ein Bild von der Partei machen, die von allen als nazimäßig verschrien ist“, sagt die 23-jährige Studentin Luisa*. Sie kritisiert den Umgang der Öffentlichkeit mit der Partei. „Unsere Profs pauschalisieren das doch alles und die meisten jungen Leute beschäftigen sich nicht richtig damit und stülpen der Partei direkt das Nazilabel über“. Ihre Freundin Lena*, eine 18-jährige Schülerin, fand vor allem die maskierten, protestierenden Jugendlichen der Antifa Passau am Eingang des Imbisses einschüchternd. „Dort draußen bekommt man Angst, mit ihren Maskierungen und der ganzen Hetze“, sagte die Schülerin. Die beiden sind gespannt, wie der Abend verläuft. Doch erst einmal bestellten sie Krabbenchips.
Das Programm beginnt. Die Passauer AfD ist sich uneinig. „Kleine Nadelstiche setzen“ wollen alle, doch hinsichtlich der Schuld an den prekären Verhältnissen in Deutschland – und welche diese überhaupt sind – herrscht reger Gedankenaustausch. Klar ist, was kein großes Problem der Politik zu sein scheint: über Energiepolitik etwa hat niemand Lust zu diskutieren. Klar ist aber auch, was ein großes Problem zu sein scheint: die „Islamisierung“ und „Afrikanisierung“, kurz die Unterwanderung der deutschen Gesellschaft und der deutschen Identität durch die „Lieblingsneubürger“, ja sogar ein „Genozid“.
,,Der Islam kommt zum Erobern nach Deutschland. Er hat dem Westen den Krieg erklärt.“, sagt Federau und blickt in die Runde.
Beteiligt an dieser „Invasion“ sei auch die deutsche Regierung. Nicht zu vergessen sei auch die „neue Weltordnung“, die die ehemalige Organisatorin der Pegida München Birgit Weißmann verantwortlich machte, wer diese aber ist, sei ihr gerade entfallen. Zum Glück wusste aber das Publikum Bescheid, die Finanzmärkte und die Globalisierung seien „schuld“.
Von draußen hört man währenddessen immer wieder die Rufe der Demonstranten – „Revolution, one solution“ – die sich gegenüber des Restaurants versammelt haben. Zu Techno-Bässen und mit bunten Plakaten, Regenbogenfahnen und Trillerpfeifen ausgestattet zeigen die Demonstranten ihre Abneigung gegenüber rechtem Gedankengut. Josef Ilsanker, Veranstalter der Gegendemonstration, ist positiv überrascht von der Menge an jungen Leuten – knapp 100 sind zu der kurzfristig organisierten Veranstaltung erschienen. Ilsanker ist Mitglied des Bündnisses Aufstieg gegen Rassismus, das aus verschiedenen Parteien, Verbänden und Organisationen besteht und ein klares Ziel verfolgt: eine breite Gegenbewegung in der Gesellschaft anzustoßen. Das Bündnis organisiert unter anderem Workshops, die sogenannte Stammtischkämpfer*innen dazu befähigen sollen, den Aussagen der AfD und ihrer Anhänger mit konsensfähigen Antworten Parole zu bieten. ,,Wir wollen gemeinsam üben, das Wort zu ergreifen, um für solidarische Alternativen zu streiten“, so das Bündnis. Heute möchte Ilsanker zeigen, wie weltoffen Passau ist.
Mit dabei sind die beiden Studentinnen Laura und Franziska. „Wir möchten ein Zeichen gegen Rechts vor Ort setzen“, so die zwei. Sie sind nicht das erste Mal bei einer Demonstration gegen Rechtspopulismus dabei und wurden auf diese über die Facebookveranstaltung aufmerksam. Auf die Frage, was sie über die Gründung der AfD Hochschulgruppe denken, antworten sie:
„Die AfD hat ihr gutes Recht, auch eine Hochschulgruppe zu gründen. Das einzig Positive daran ist, dass es die Diskussion fördert. Schließlich hat jeder das Recht darauf, mit eigener Position dafür zu kämpfen, wofür man einsteht.“
Im Saal scheint es währenddessen offensichtlich, dass es mit Deutschland abwärtsgeht: „Früher versteckten wir Ostereier, heute wird uns schon bei dem Wort bunt schlecht“. Alles sei dabei möglich – sogar, dass „die Schulklos wieder dreckig werden“. Federau fahre schon nicht mehr Bahn in der Zweiten Klasse und fühle sich „nackt unter den Blicken arabischer und afrikanischer Männer“. Selbst in Passau bewegten sich Studentinnen, so war sich die Versammlung sicher, aus Angst vor den „Ausländern“ nur noch in Gruppen. Die AfD spricht sich dabei aber noch lange nicht für Gleichberechtigung zwischen Männern, Frauen und Transgendern aus. „Männer, tut doch bitte was“, empört sich Federau, dass in der Kölner Silvesternacht diese nicht ihre Frauen beschützt hätten. Diesen Schutz scheint aber nicht unbeschränkt für alle erforderlich – „deutsche“ Frauen, die eine Beziehung mit besagten „ausländischen“ Männern führen, sind ein weiterer Sündenbock des Abends.
Ebenfalls unklar bleibt die Frage der Integration von Asylanten. Allein aus „kognitiven Fähigkeiten“ seien diese eh nicht dazu fähig, als Facharbeiter einen Beitrag zur Gesellschaft zu leisten, wurde Sarrazin zitiert, und außerdem auch eh nicht dazu bereit. Allerdings steht im Raum, ob sich Asylsuchende überhaupt integrieren sollen:
„Integration heißt, sie dahin zurückzuführen, wo sie herkamen“.
Es wird mangelnde Integration bemängelt und sie gleichzeitig verhindert: „Die Kinder können ja unterrichtet werden. Aber bitte separat.“
Luisa und Lena blicken zwischendurch von ihren Handys auf und klopfen zustimmend auf den Tisch. Doch bei den Aussagen wie ,,Die deutschen Frauen sind einfach fasziniert von den Negern“ (Birgit Weißmann) schauen sie sich etwas entsetzt an. Nach dem Abend sind sie zwar von den Inhalten überzeugt, aber nicht unbedingt von dem Auftreten einiger Anwesender. „Manche der Leute hier sind einfach zu emotional und drücken sich falsch aus“, sagte Luisa.
„Ich habe schließlich auch muslimische oder andersfarbige Freunde, mit denen ich mich sehr gut verstehe. Aber nicht alle Religionen sind Religionen des Friedens. Wenn eine Teilung von Gläubigen und Ungläubigen, wie beim Islam vorgenommen wird, kann das sehr gefährlich sein“, sagt sie weiter.
Vor allem die Haltung der AfD bezüglich offener Grenzen und der illegalen Migration habe die beiden überzeugt. Vielleicht machen sie also ihr Kreuzchen bei der nächsten Wahl bei der AfD.
*Namen geändert
Fotos: Vanessa Prattes