Aufgewärmt schmeckt nur Gulasch. Dieser Ratschlag, den der eine oder andere bestimmt schon in Bezug auf seine Beziehung gehört hat, ist inzwischen schon fast zu einem geflügelten Wort geworden. Über seine Gültigkeit lässt sich diskutieren, doch gibt es eine Bevölkerungsgruppe, die davon scheinbar komplett ausgenommen ist: die Kinogänger. Denen schmeckt nämlich offensichtlich nicht nur aufgewärmtes Gulasch, sondern auch die unzähligen lauwarmen Neuauflagen, Remakes, Prequels, Sequels oder Spin-Offs, die Hollywood derzeit in unheimlicher Frequenz in die Kinos feuert. Star Wars ist beliebt? Wir brauchen unbedingt drei Vorgänger, mindestens drei Nachfolger und fünf weitere Filme, die mit den ursprünglichen Filmen überhaupt nichts mehr zu tun haben. Der Herr der Ringe? Kein Problem, wir blasen einfach ein hundertseitiges Kinderbuch, das lose damit zu tun hat, zu einer dreiteiligen Action-Monstrosität auf. Diese Liste ließe sich beliebig weiterführen. Ein weiterer jener Filme, den die wilde Remake-Wut Hollywoods erfasst hat, ist Jurassic Park. Nachdem die Teile 1-3 zwischen 1993 und 2001 erschienen waren, durften sich die Dinos eine vierzehnjährige Ruhepause gönnen, bevor sie 2015 in „Jurassic World“ wieder aus ihrem Dornröschenschlaf erweckt wurden. Nun startete im Juni 2018 mit „Jurassic World: Fallen Kingdom“ der zweite Teil der zweiten Auflage. Jurassic Park 2.2 quasi.
Die Handlung des Streifens ist schnell erzählt: aus fadenscheinigen Gründen muss eine Gruppe von Idealisten, die jene Dinos retten will, die in Teil 1 auf der Insel Amok gelaufen sind, zurück auf besagte Insel. Es stellt sich heraus, dass die begleitenden Militärs nicht nur altruistische Motive verfolgen und Profit aus den prähistorischen Giganten schlagen wollen. Die Dinos werden also per Schiff von der Insel geholt und ab da geht alles recht schnell den Bach herunter. Wie war das? Das ist doch exakt die selbe Handlung wie in „Jurassic Park 2“? Ja das stimmt…aber diesmal sieht es cooler aus! Spaß beiseite, es handelt sich wirklich um die identische Handlung, Stück für Stück. Jaja, einige Szenen sind dazu gekommen und andere sind entfallen, aber der generelle Plot ist deckungsgleich, was dazu führt, dass jeder, der „Jurassic Park 2“ gesehen hat, nach 5 Minuten mit den Augen rollt, weil er eh schon weiß, was als nächstes passieren wird. Aber so etwas lassen sich die Kinobesucher doch nicht bieten, oder? Wer einen Film produziert, indem er faul einen Plot von vor 20 Jahren ausgräbt und ihn in ein neues, hübsches, computeranimiertes Setting steckt, der kann damit doch keinen Erfolg haben. Oder? Sollte man meinen. Und dann werfen wir einen Blick auf den Vorgänger „Jurassic World“, der mit exakt dieser Strategie auf Platz 5 der kommerziell erfolgreichsten Filme landete. Nicht im Jahr 2015, sondern aller Zeiten.
Lassen wir die Handlung einmal außen vor, wie ist der Film sonst so zu bewerten? Nun, Regisseur J.A. Bayona versucht, sich von der Stimmung der ersten Jurassic Park-Trilogie zu lösen und stattdessen größeren Wert auf die Horror-Komponente des Szenarios zu legen. Es wimmelt im Film also von Jumpscares, musikalisch passend untermalt. Ob das dem Film gut tut, muss wohl jeder für sich entscheiden, aber immerhin versucht Bayona hier ansatzweise, Originalität zu beweisen. Auch über die Optik des Films lässt sich kaum etwas Schlechtes sagen, die Dinos sind sauber animiert, auch schnelle Bewegungen wirken lebensecht und realistisch. Zwar neigt der Film zu vor Pathos triefenden Aufnahmen (besonders dramatisch: der Brachiosaurier vor dem Flammenmeer), aber man muss zugeben: es sieht schon cool aus. Auf der anderen Seite krankt „Jurassic World: Fallen Kingdom“ hingegen an einer Problemstellung, auf die alle zu weit gestreckten Fortsetzungen irgendwann stoßen: es fehlen die Gegenspieler. In jedem Film der Jurassic Park-Reihe muss ein Dino vorkommen, der noch größer, bösartiger und krasser ist als sein Vorgänger. In Teil 1 war es noch ein T-Rex (und Raptoren), in Teil 2 sogar 2 T-Rex (und Raptoren), in Teil 3 ein Spinosaurus (und Raptoren) und in Teil 4 (bzw. „Jurassic World“) der genetisch modifizierte Supersaurier „Indominus Rex“ (und, wer hätte es gedacht, Raptoren). Der neue Superkiller für Teil 5 heißt „Indoraptor“, ist natürlich genetisch modifiziert und im Endeffekt nur noch eine blutrünstige Waffe auf zwei Beinen. Angeblich ist die Bestie sogar noch schlauer, als der eh schon enorm kluge „Indominus Rex“ aus Teil 4. Der Raubsaurier im unvermeidlichen Teil 6 wird wahrscheinlich bis dahin an seiner Doktorarbeit schreiben. Während die Dinosaurier in den ersten Teilen der Reihe noch natürliches Verhalten zeigten, sich verteidigten, gelegentlich Konflikte vermieden, ihre Jungen beschützten usw., sind die neuen geschuppten Antagonisten bloße Mordmaschinen. Ihr Verhalten folgt keiner Logik mehr, sie wollen töten, aber nur so, dass es auch wirklich gut aussieht. Ein gerade noch amoklaufender Raubsaurier wird, wenn es der Plot so fordert, plötzlich zum Horrorfilm-Bösewicht und stalkt sein Opfer fast unhörbar aus dem Schatten heraus. Das ist kein verständliches Tier mehr, dessen Motive und Gefühle der Zuschauer nachvollziehen kann, das ist ein reiner Plot-O-Saurus, geboren um die Handlung zu befeuern, nichts weiter.
Der einzige, der nicht ganz in den Film zu passen scheint, ist Hauptdarsteller Chris Pratt. Der hat wohl das Memo nicht bekommen, dass er in einem mittelmäßigen Film spielen soll, und kann vermutlich deswegen nicht aufhören, eine Performance abzuliefern, die jede Szene, in der enthalten ist, auf ein höheres Level hievt. Der Film ist ein Paradebeispiel dafür, was passiert, wenn ein großartiger Schauspieler und ein durchschnittliches Skript aufeinandertreffen: Mit seiner Leinwandpräsenz überstrahlt Pratt neben Leinwandgrößen wie Bryce Dallas Howard (Claire) und James Cromwell (Benjamin Lockwood) leider auch die eigentlichen Stars des Films: die Dinosaurier.
Fazit: Alles in allem ist „Jurassic World: Fallen Kingdom“ kein schlechter Film, aber er hinterlässt beim Verlassen des Kinos einen schalen Nachgeschmack. Ein bisschen wie aufgewärmtes Gulasch.