Matthias Weigl ist 19 Jahre alt und seit vier Jahren bei den Grünen. 2016 hat er ein Jahr lang als Landesschülersprecher 1,7 Millionen Schülerinnen und Schüler in Bayern vertreten. Nun kandidiert er für die Landtagswahl für Passau-Ost.
Ein Viertel aller Passauer sind Studenten. Warum sollte ich – als Student – genau Sie wählen?
Das Parlament sollte einen Querschnitt der Bevölkerung widerspiegeln, bis jetzt liegt der Altersschnitt aber deutlich über 50. Das ist auch einer meiner Hauptgründe, warum ich mit unter 20 Jahren nun kandidiere.
Sie sind der jüngste Grünen-Kandidat in der Landtagswahl und wollen „der Jugend eine Stimme im Parlament geben“. Was bedeutet das für Sie?
Auf der Tagesordnung sind relativ wenige Jugend- oder hochschulpolitische Themen. Bereiche, die die Jugend beschäftigen, wie bezahlbarer Wohnraum oder die Abschaffung der Schulgelder für Ausbildungsberufe, haben keine politische Lobby. Man könnte aber ganz viel im Parlament fordern, das dann auch den jungen Menschen in der Gesellschaft ein stärkeres Gewicht geben würde.
Was sind die drei wichtigsten Punkte Ihres Programms?
Mein zentrales Thema ist Bildung. Ich war das Jahr zuvor im Landesschülerrat bei dem G9 Arbeitskreis, das hat politisch geprägt. Außerdem ist mir wichtig, wie man Partizipation und junge Menschen in der Gesellschaft stärken kann. Als Passauer beschäftigen mich auch die Themen Integration und Verkehr. Gerade beim öffentlichen Nahverkehr sollte noch relativ viel gemacht werden. Einheitlichere Tarife und ein Ticket für das ganze Land könnten das Angebot attraktiver machen.
Wir leben in einem christlich geprägten Land. Was sind Ihrer Meinung nach typisch christliche Grundwerte? Setzen Sie diese in ihrem Programm um?
Christliche Werte zu definieren ist spannend. Da kommt es ganz darauf an, wem man zuhört oder wo man hinschaut. Einige Bischöfe wie auch Kardinal Marx haben einiges zu Flüchtlingsfragen gesagt, dem ich als Grüner zustimmen kann. Die tragenden Säulen sind Mitmenschlichkeit und Nächstenliebe – da geht es um das große Ganze und nicht um das „wir gegen euch“. Auch bei vielen Umweltfragen kann ich die Meinung der Kirche unterstützen.
Wie positionieren Sie sich bei der Kruzifix-Debatte, halten Sie Kruzifixe in öffentlichen Einrichtungen für sinnvoll?
Christliche Werte kann man nicht plakativ als Aushängeschild nehmen, sondern man muss sie leben und mit Inhalten füllen. Aber nicht mit Parolen oder Hetze gegen Minderheiten. Ich finde es völlig überzogen, den Befehl zu geben, in allen staatlichen Einrichtungen ein Kreuz aufzuhängen.
Der Wohnraum für Studierende wird mit jedem Semester knapper, die Mietpreise steigen. Sehen Sie hier Möglichkeiten zur Besserung?
Man braucht nicht nur in Ballungsräumen wie München, sondern auch hier in Passau, eine Mietpreisbremse. Es geht nicht, Sozialwohnungen zu verscherbeln, den Mietern zu versprechen es bleibe alles beim Alten und dann kommen in zwei Jahren drei Mieterhöhungen. Es sollten nicht die Unternehmen, sondern die Menschen, die in den Wohnungen leben, gestärkt werden. Davon können dann auch viele Studenten und Studentinnen profitieren.
Wie steht Ihre Partei zu legalem Cannabis Konsum?
Absolute Befürworter – also sowohl ich, als auch die Partei – das ist kein großes Geheimnis. Effektiver Jugendschutz, Qualitätskontrolle und die Schwarzmarktbekämpfung schafft man nur mit einer Legalisierung. Momentan kommt ein 14-Jähriger in Deutschland leichter an Gras als an hochprozentigen Alkohol.
Bei wie viel Prozent sehen Sie Ihre Partei bei der kommenden Landtagswahl?
In Niederbayern waren wir bei 5,5 Prozent bei der letzten Landtagswahl und haben das zweite Mandat knapp verpasst. Es wäre schön, wenn dieses Jahr das zweite Mandat wieder drin ist. Die 17 Prozent werden wir hier in Niederbayern leider nicht holen, aber ein gutes zweistelliges Ergebnis wäre traumhaft.
Kein Bundesland gibt für Bildungseinrichtungen mehr Geld aus als Bayern. Sehen Sie bei der Verwendung der Mittel Verbesserungsbedarf?
Es gibt Disparitäten zwischen Stadt und Land, da die Kommunen immer noch für die staatlichen Schulen zuständig sind. Bei Baumaßnahmen sollte der Bund bezuschussen können. Außerdem sollten Lehrerberufe mehr gestärkt werden. Vor allem sollte jeder Lehrer, unabhängig von der Schulart bei gleichem Stundensatz, gleich viel verdienen.
Trotz sinkender Ankunftszahlen sind bayerische Flüchtlingsunterkünfte immer noch überlastet. Wie kann die Unterbringung effektiver gestaltet werden?
Im Herbst 2015 sind wöchentlich mehr Menschen nach Passau gekommen und mit dem Zug in andere Städte weiter gefahren als hier wohnen, also teilweise über 50000. Trotzdem hat man das erfolgreich bewältigt und schnell gute Strukturen und viele Helferkreise gegründet. Nun könnte man vermehrt die Ehrenamtlichen stärken, die wirklich enorm viel Hilfe, zum Beispiel mit Sprachkursen, leisten. Man hätte jedoch vieles schon vorausschauender planen müssen und es wäre zudem wichtig, internationaler zusammen zu arbeiten. Ankerzentren sehen wir als Grüne sehr kritisch, weil es in der Praxis nicht funktioniert alles innerhalb von 48 Stunden abzuwickeln. Man bräuchte noch viel mehr qualifiziertes Personal.
Wie bewerten Sie das Sicherheitskonzept im Klostergarten?
Wir Grünen waren von Anfang an dagegen. Unser Fraktionsvorsitzender hat den Vorschlag gemacht, mit dem gleichen Geld den Weg vom Fünferlsteg zur Uni mit Straßenlaternen zu beleuchten, weil das das subjektive Sicherheitsempfinden tatsächlich stärken würde. Aber das, was jetzt im Klostergarten passiert, ist einerseits juristisch bedenklich und andererseits vom Kosten-Nutzen-Faktor vollkommen ineffektiv. Die Kriminalität die dadurch bekämpft werden soll, wird lediglich verdrängt.
Zunehmende Digitalisierung sorgt auch für Datenschutz Diskussionen. Welche Rolle spielt Datenschutz für Sie in Zeiten von Facebook und Co.?
In erster Instanz sollte man die Internetriesen enger an die Leine nehmen, also die Richtlinien für große Unternehmen wie Google, Amazon und Facebook höher setzen. Die Europawahl nächstes Jahr ist dafür entscheidend. Die Leute sind mit der neuen Datenschutzerklärung zudem etwas alleine gelassen worden, da hätte mehr Aufklärung stattfinden müssen.
Wie stellen Sie sich die digitale Zukunft in der Bildung, speziell in der Uni vor?
Da kommen zwei Sachen auf uns zu: erstens extrem hohe Kosten für die technische Ausstattung, zweitens Fortbildungen für die Lehrkräfte. Es bringt nichts die Geräte in den Schulen zu installieren, ohne dass die Lehrer das notwendige Knowhow besitzen. Um die Jugend auf die digitale Welt vorzubereiten, müssen sie essentielle Dinge wie Zehnfingerschreiben und einen kritischer Umgang mit der Datenverarbeitung lernen. Natürlich stellt sich auch die Frage, wie digital unsere Zukunft überhaupt sein soll. Vielleicht sollte man den Kindern nicht in der ersten Klasse schon einen Computer vor die Nase stellen. Das Thema Digitalisierung beinhaltet aber auch viele Chancen: Man könnte zum Beispiel in Schulforen Erklärvideos und Übungsaufgaben hochladen, die Schulbücher ersetzen.
Etliche Menschen haben gegen das Polizeiaufgabengesetz demonstriert, auch hier in Passau. Wie bewerten Sie die neuen Richtlinien?
Kritisch. Erstens ist der Handlungsbedarf in Bayern als sicherstes Bundesland nicht so groß und zweitens geht es am Problem vorbei. Was die Polizei in erster Linie braucht, ist mehr Personal. Die Polizei soll nicht der Nachrichtendienst werden. Da hat die CSU mal wieder eine politische Blendgranate geworfen, um den Wählern am rechten Rand zu zeigen, wir machen Bayern sicher. Es ist schade, dass es aufgrund des neuen PAG auch allgemeines Polizei-Bashing gab.
Thema BAföG: Sollte die finanzielle Unterstützung für Studierende elternunabhängig sein?
BAföG sollte auf jeden Fall elternunabhängig sein, um junge Menschen bald auf eigene Füße zu stellen.
Wie haben Sie persönlich die lange Zeit der Regierungsbildung auf Bundesebene wahrgenommen und sind Sie mit der erneuten GroKo zufrieden?
Mit dem Ergebnis, das bei der Regierungsbildung herausgekommen ist, bin ich unzufrieden. Für uns wichtige Themen wie besserer Umweltschutz, Förderung der Landwirtschaft, Arten- und Klimaschutz sind völlig auf der Strecke geblieben. Die Menschen, die sozial schwach und daher auf unseren Sozialstaat angewiesen sind, haben kaum etwas von einer starken SPD mitbekommen. Ich habe in dem Jamaica-Bündnis große Chancen gesehen, das hätte Aufwind und der Union wieder einen Schwung in ein liberales, konservatives Feld gegeben. Die Flüchtlingsfrage hätte uns aber sicher auch vor Zerreißproben gestellt.
Wie bewerten Sie die Auseinandersetzungen in der Großen Koalition?
Horst Seehofer hat mit seinem Rücktritt vom Rücktritt und der Zurückweisung an der Grenze wieder eine Scheindebatte losgetreten, weil die Anzahl der ankommenden Menschen an einer Hand abzuzählen ist und weil das Schengener Abkommen den binnenstaatlichen Grenzschutz bereits vorgibt. Ein Nationalstaat darf seine Außengrenzen für maximal zwei Jahre kontrollieren, wir sind bereits im dritten Jahr. Die Schaffung der Grenzpolizei ist daher komplett unnötig, weil sie auf etwas beruht, was eigentlich schon nicht mehr existent ist. Das beinhaltet nicht mehr den Kerngedanken der Europäischen Union, nämlich das Zusammenrücken und den Zusammenhalt. Das sind keine europäischen Lösungen, sondern ein Rückzug in die Nationalität.
Gibt es etwas, dass Sie sich von Ihren potentiellen Wählern, speziell von Studenten, wünschen?
Mit Rückblick auf die Hochschulwahl, bei der die Beteiligung bei weit unter 20 Prozent lag, wünsche ich mir, dass die Wahlbeteiligung bei den unter 25-Jährigen hoch ist. Beim Kreuz setzen sollten alle an ihre und auch an die Zukunft der nachfolgenden Generationen denken und eine klare Absage an die Spalter von rechts außen machen. Wir wollen die liberalen Kräfte in unserer Demokratie stärken und nicht in einem Land leben, das auf Abschottung setzt.