Beata und Kaja Dawidek betreiben in der Passauer Altstadt ein Kosmetikstudio. Mutter und Tochter sprechen über ihr Erfolgsrezept, ihren Weg in die Selbstständigkeit und darüber, was Schönheit für sie bedeutet.
Der Einfluss der sozialen Medien auf Schönheit und die Maßstäbe, an denen sie gemessen wird, ist unbestritten. Wie sich dieser Einfluss konkret auswirkt, darüber gehen die Meinungen auseinander. Influencer:innen haben den Begriff Body Positivity längst in ihr alltägliches Repertoire aufgenommen und vermitteln Zuschauer:innen vor den Bildschirmen, dass jeder Körper schön ist – egal wie er aussieht. Das einst einheitliche Bild der ‚schönen Frau‘, groß, weiß, mit schlanker Taille und wallendem Haar, ist vielfältiger geworden – so scheint es zumindest. „Eine Sache, die ich schlimm finde und auf die du mich aufmerksam gemacht hast, Mama, ist, dass viele Influencerinnen gleich aussehen“, sagt Kaja und schaut ihre Mutter Beata an. Schönheit spielt im Leben der beiden Frauen eine große Rolle: Es ist nicht nur eine langjährige Leidenschaft, sondern seit 2022 auch das, womit sie ihr Geld verdienen.
Die ersten Schritte
Für Beata Dawidek gibt es immer etwas zu tun. Zwischen einem Job bei einer Spedition, einem großen Haus mit Garten, Töchtern, Mutter und Partner sowie zwei Hunden bleibt kaum Freizeit: „Arbeiten“, antwortet sie lachend auf die Frage, was sie in ihrer Freizeit macht. Trotzdem hat sich Beata vor rund zwei Jahren einen lang ersehnten Traum erfüllt: ein eigenes Kosmetikstudio. Damals beendete ihre Tochter Kaja die Schule und stand vor der Entscheidung, wie es weitergehen sollte. Ihre Mutter ergriff die Chance und schlug vor, gemeinsam eine Ausbildung zur Kosmetikerin zu machen: „Komm Kaja, da hast du schnell einen Beruf und studieren kannst du später auch noch“, erinnert sie sich heute an ihr Argument. Nach einigem Hin und Her, Zögern und Überlegen fasst sich Kaja ein Herz, denn die Ausbildung bietet einiges, was ihr wichtig ist: „Ein bisschen Risiko, immer eine Herausforderung und etwas Kreatives. Das ist schon cool.“ Kreativität verbindet die Familie Dawidek: Mutter und Töchter singen, Kaja malt seit dem Kindergarten. Kein Wunder, dass das auch bei der Berufswahl eine große Rolle spielt.
Ausbildung als Mutter-Tochter-Duo
Wenn Beata und Kaja den Raum betreten, merkt man schnell, was ihre große Stärke ist: „Was uns ausmacht, ist unsere Energie, die wir als Duo an die Kunden weitergeben. Das gibt es kein zweites Mal.“ Das zeigte sich schon während der dreimonatigen Intensivausbildung, die die beiden im März 2022 begannen: „Als wir fertig waren, sagte die Dozentin, wir sollten die Ausbildung noch einmal machen, ohne uns wäre es nicht das Gleiche. Wir haben immer noch Kontakt zu ihr und sie sagt, dass es seitdem niemanden wie uns gegeben hat.“ Nicht nur das Duo aus Mutter und Tochter war ungewöhnlich, sondern vor allem die Offenheit und sympathische Art der beiden. Ob gemeinsames Tanzen oder eine kleine Psychologiestunde in den Pausen, Beata und Kaja können ihre Mitmenschen zu allem motivieren. „Mit Menschlichkeit an die Dinge herangehen – das fehlt leider oft“, fasst Beata zusammen.
Doch gerade Beata hatte zu Beginn ihrer Ausbildung auch Sorgen. Sie ist in Polen aufgewachsen, Deutsch ist nicht ihre Muttersprache. „Aber hier sitzt mein Motivationscoach“, sagt sie und zeigt stolz auf ihre Tochter. Gemeinsam absolvieren beide die Ausbildung erfolgreich und schnell steht fest: Es soll direkt in die Selbstständigkeit gehen. Das sei unüblich, die meisten Absolvent:innen der Ausbildung arbeiten zunächst als Angestellte.
Lernen durch Praxis
Beata und Kaja wagten den Sprung ins kalte Wasser und nutzten die Kunstnacht 2022, um die Eröffnung ihres Kosmetikstudios, der Beauty Factory Passau, zu feiern. „Wir haben uns so gefreut und gefeiert und am nächsten Tag um 10 Uhr stand die erste Kundin vor der Tür. ‚Oh Gott, wir sind so fertig, was machen wir hier?‘ haben wir uns gefragt“, erinnern sich Beata und Kaja lachend. Doch vom anfänglichen Chaos im Hintergrund lassen sich die beiden nichts anmerken. Sie sind so erfolgreich, dass schon ein Jahr später der Umzug an einen neuen Standort in der Theresienstraße ansteht – unter anderem, weil dieser besser vor Hochwasser geschützt ist. Mutter und Tochter teilen sich die Arbeit: Kaja bezeichnet sich selbst als Augenbrauenfanatikerin und ist vor allem für Permanent Make-Up zuständig, Beata kümmert sich hauptsächlich um Gesichtsbehandlungen. Angestellte haben sie nicht: „Wir machen alles selbst, Marketing, Fotografieren, Videos schneiden, Flyer gestalten, Produkte bestellen, den Laden putzen – es gibt immer etwas zu tun.“
Wie man sich selbstständig macht und was alles dazu gehört, lernen Beata und Kaja nicht in der Kosmetikausbildung. Kaja ist überzeugt, dass man für diesen Schritt kein Studium braucht: „Das Einzige, was wirklich wichtig ist, ist der Wille, die Motivation und die Disziplin. Und es auszuhalten, auch mal hinzufallen.“ Dennoch sieht sie auch Herausforderungen, vor allem im rechtlichen Bereich: „Ich denke über ein Fernstudium nach, zum Beispiel Wirtschaftsrecht. Es ist schwierig, weil einen niemand aufklärt. Gerade in Deutschland ist vieles so streng, dass man schnell Fehler macht, ohne es überhaupt zu wissen.“
Zukunftsmusik
Die Beauty Factory Passau, das ist der Ort, an dem Beata bis zu ihrer Rente arbeiten möchte und Tochter Kaja unterstützt sie dabei: „Mein Plan und Wunsch ist es, meiner Mama immer diese Möglichkeit zu geben“. Die Arbeit im Kosmetikstudio sei auch im Alter noch gut machbar und weniger gesundheitsschädlich als andere Jobs. Die Beauty Factory soll aber nicht nur eine sichere Einkommensquelle sein: „Mein Ziel ist es, ehrlich gesagt, das beste Kosmetikstudio in der Umgebung zu sein“, sagt Kaja. Sie bedauert, dass Kosmetik in Passau so wenig Anerkennung findet und wünscht sich, dass die Menschen mehr auf sich achten, sich etwas Gutes tun. Aus diesem Grund plant sie aktuell mit einer Freundin die erste Beauty-Messe in Passau. Am 19.10.24 und 20.10.24 werden Aussteller:innen ihre Produkte und Dienstleistungen vorstellen, es wird kleine Schönheitsbehandlungen geben, aber auch eine Modenschau, eine Hüpfburg und Kinderschminken. Ziel ist es, die Kund:innen an Kosmetik heranzuführen und über Schönheit(sbehandlungen) aufzuklären.
Kulturelle Unterschiede: Polen und Deutschland
Beata und Kaja möchten die Kosmetikszene in Deutschland stärken. „In Polen ist es normal, zur Kosmetik zu gehen, auch um sich mit Freundinnen zu treffen und zu quatschen“, erklärt Kaja. Nicht nur beim Stellenwert der Kosmetik in der Gesellschaft, sondern auch bei den Ausbildungsmöglichkeiten hinke Deutschland hinterher. Das Studium der Kosmetikologie ist hier bisher kaum verbreitet. Die Regelungen für Zusatzschulungen können Beata und Kaja nicht nachvollziehen: Während man in Deutschland für die Arbeit als Permanent Make-Up Artist, also das Tätowieren von Pigmenten ins Gesicht, kein Zertifikat braucht, muss Beata für die Gesichtsbehandlungen regelmäßig neue, teure Schulungen machen – auch wenn sie den Umgang mit den Geräten in der Ausbildung längst gelernt hat. „In vielen Kursen lernt man nur die Hälfte von dem, was wichtig ist. Das führt zu schlechter Arbeit und Kosmetik wird noch mehr in ein falsches Licht gerückt“, sagt Kaja. Mehr Ansehen in der Gesellschaft, sinnvolle und einheitliche Regelungen und Ausbildungsmöglichkeiten und weniger Fehlinformationen und Vorurteile – davon träumen Beata und Kaja, denn in Polen ist das längst Realität.
Schönheit – das Für und Wider
Beata und Kaja sehen den Einfluss von sozialen Medien auf das Leben vor allem junger Menschen kritisch. „All das über Beziehungen, die große Liebe, Glück und Geld. Es ist eine große Lüge“, warnt Beata. Sie sorgt sich nicht nur um die falschen Informationen, sondern auch um die falschen Bilder, die vermittelt werden. Bilder von Schönheit, die nur durch Filter und Nachbearbeitung erreicht werden können, aber nicht in der Realität. Für Kaja ist es wichtig, klare Grenzen zu ziehen: Als Kosmetikerin habe sie ein Auge dafür, was schön ist und was zu viel. Wenn Kund:innen zu oft zu Schönheitsbehandlungen kommen, ist ihre Antwort auch mal ein klares Nein. „Ich würde meinen Kund:innen nie zu unnatürlichen oder lächerlichen Behandlungen raten.“ Die Schönheitsbranche macht einige Menschen reich und andere arm. Die Beauty Factory versucht, einen fairen Ausgleich zu schaffen: „Ich frage immer, was die Leute schon zu Hause haben und suche nach günstigen Marken mit guten Wirkstoffen und Qualität“, so Beata – schließlich will sie mit ihrem Beruf keine Millionärin werden.
„Schönheit ist zuerst Ausstrahlung, also positive Energie und Menschlichkeit“, sagt Kaja. Nur wer von innen schön sei, könne das auch nach außen tragen. „Und zweitens: Menschen, die sich pflegen.“ Denn ein gesunder Lebensstil sei entscheidend: „Es gibt Leute, die meinen, sie pflegen sich jetzt ein bisschen, lassen sich Botox spritzen, trinken aber viermal die Woche Alkohol, rauchen eine Schachtel Zigaretten am Tag und gehen ins Solarium.“ In der Beauty Factory möchten Beata und Kaja den Kund:innen ihre positive Energie vermitteln, sprechen aber auch im Rahmen eines Fragebogens über deren (un-)gesunde Angewohnheiten und geben Ratschläge. Durch Pflege in sich selbst zu investieren, um sich zu zeigen, dass man etwas wert ist und sich dadurch besser zu fühlen – das ist das Motto des Kosmetikstudios, denn:
Jeder hat seine individuelle Schönheit und die sollte man betonen – und sich nicht komplett verändern lassen.