Die Freiheit – seltsam, stark, rar und schön

Um den abstrakten Begriff der Freiheit in einem Bild einzufangen, könnte man sich folgendes Fabelwesen vorstellen: den Körperbau eines Faultiers, die Krallen eines Tigers, den Kopf eines Gürteltiers mit einem Horn wie das eines Einhorns auf der Stirn sowie Flügel und zwei riesige Federn am Hinterteil. „Das ist die Freiheit. Seltsam, stark, rar und schön und für jeden ein bisschen das, was er sich darunter vorstellt.“ Diese Worte stammen von Dota, einer Singer-Songwriterin, die gerade ihr achtes Studioalbum Die Freiheit veröffentlicht hat und auf dessen Cover eben jenes Geschöpf prangt. 

Das neue Album der nun schon seit 15 Jahren musizierende Berlinerin ist durchzogen mit verschiedenen Blickwinkeln auf die Freiheit. Ob Dota nun in dem Song Für die Sterne von der Freiheit, dem anderen nicht gefallen zu müssen, singt oder über schwangere Frauen in Baumärkten erzählt – Dota schafft es über so abstrakte Themen wie die Freiheit poetische Texte zu dichten, ohne sich in Belanglosigkeiten oder der gefürchteten Kalenderspruch-Sparte zu verlieren. Auf dem Titelstück des Albums singt Dota: „So viel Freiheit, ich bin überfordert. Ich such mir einen Yogalehrer, der mir sagt, wann ich einatmen soll.“ Freiheit, dieses Luxusproblem unserer westlichen Gesellschaft. Ein Privileg, nach dem jedes Individuum strebt, das aber doch nur Wenigen vorbehalten ist. Und diejenigen, die die Freiheit genießen können, werden wiederum mit zu viel Freiheit konfrontiert. „Das ist eigentlich das ultimative Ziel von Bildung oder auch Erziehung mit der vorhandenen Freiheit richtig umzugehen lernen, damit man sich nicht darin verliert.“

„Jedem ist die Freiheit, die er für sich in Anspruch nimmt, die wichtigste. Sei es Religionsfreiheit oder die Freiheit zu lieben, wen man möchte. Ich persönlich fühle mich sehr frei, das liegt wahrscheinlich auch an meiner beruflichen Lage.“ Denn Dota hat durch die Gründung ihres eigenen Plattenlabels Kleingeldprinzessin-Records auch die kreative Kontrolle über ihre Musik und keinen Plattenmanager, der mit erhobenem Zeigefinger nur den nächsten Radio-Hit abgeliefert bekommen will. „Ich genieße das so sehr von meiner Musik und von dem, was ich gerne mache, leben zu können und trotzdem ist es immer wieder schwer sich mit so viel Freiheit zu strukturieren.“

Und so gibt es auch jene Stücke auf der neuen Platte, die auf die Unfreiheiten unserer Gesellschaft eingehen. Ob Dota nun in Raketenstart davon singt, wie nur die Reichsten mit der rettenden Raumsonde der Katastrophe entkommen oder die Nicht-Scheitern-Dürfen-Mentalität der Gesellschaft in Drahtseil anspricht, eine gewisse Frustration über die ungleiche Verteilung von Freiheit lässt sich aus den Texten schon herauslesen. Diese Frustration lässt sich Dota auch im Gespräch anmerken, wenn sie über die deutsche Singer-Songwriter-Szene spricht. Gerade hier sind erstaunlich wenige weibliche Akteure vertreten, die große Erfolge mit ihrer Musik verzeichnen können. „Ich glaube, es ist tatsächlich so wie in allen anderen Berufen doch auch das Familien- und Mutterschaftsproblem. Sobald man als Frau Kinder hat, ist es schwierig in der Szene drinnen zu bleiben oder wieder einzusteigen. Solange man studiert – zumindest mir ging es so – denkt man die ganze Zeit: Gleichberechtigung? Was wollen die Leute, die haben wir doch schon. In Wirklichkeit muss sich aber noch einiges ändern.“ Aber auch immer noch vorhandene patriarchale Strukturen erschweren es Frauen die Aufmerksamkeit in der Musikszene zu bekommen, die ihnen gebührt: „Den männlichen Blick auf die Kunst ist man einfach mehr gewohnt und gerade wenn man sich Festivalbühnen ansieht und wer da so um 20 Uhr spielt – das muss schon immer wahnsinnig ballern. Es gibt natürlich auch Frauen, die mit viel Energie Musik machen, aber man ist doch diesen Testosteron-geladenen Erzähl-Gestus mehr gewohnt.“

Und gerade in der heutigen Zeit, wenn Menschenrechte und grundsätzliche Pfeiler wie Humanität in unserer Gesellschaft immer mehr ins Visier von Rechtsextremen genommen werden, ist es wichtig, so wertvolle Grundrechte einer demokratischen Gesellschaft wie die Freiheit zu verteidigen. Auch Dota positioniert sich immer wieder in ihren Texten zu aktuellen Debatten. In einem ihrer bisher bekanntesten Songs Grenzen singt sie: „Nennt mich naiv, es ist mir egal, aber ich finde es reicht. Ich suche das Land in dem jeder dem anderen in Staatsunangehörigkeit gleicht.“ Allein schon der Umstand, dass mein Schreibprogramm das Wort Staatsunangehörigkeit mit roten Pünktchen markiert und als Rechtschreibfehler werten will, spricht für sich. Auch auf dem neuesten Album beschäftigt sich Dota wieder mit gesellschaftlichen Themen, wie im Lied Zwei im Bus. Dort geht es um den richtigen Umgang mit einem rassistischen Witz: „Ist ein Witz nur ein Witz oder wirklich ein Problem?“ Auch wenn Dota immer wieder unangenehme gesellschaftliche Themen anstößt, sieht sie sich mit der Positionierung in ihrer Musik noch lange nicht als Kämpferin für die soziale Gerechtigkeit: „Es war schon immer wichtig, sich mit seiner Musik gegen jede Art von Menschenhass zu positionieren. Ich denke aber von der Wirkung her wäre es viel wichtiger, dass sich Schlagermusiker und Fußballspieler zu diesem Thema äußern. Weil es da das Publikum erreicht, in dem Fremdenhass stärker vertreten ist. Ich glaube, dass die Leute, die auf meine Konzerte kommen, eh schon eine ähnliche Meinung haben wie ich.“

Doch es rumort nicht nur auf der gesellschaftlichen Ebene, auch in der Musiklandschaft versetzen Streaming-Dienste wie Spotify oder Apple Music Künstler in Aufruhr. „Zum einen ist das Publizieren von Musik viel einfacher geworden, aber bei dieser wahnsinnigen Masse an Neuveröffentlichungen ist es auch schwer, nicht unterzugehen.“ Außerdem decke Spotify die Ausgaben der Künstler für eine professionelle Album-Produktion bei weitem nicht ab:  „Ich finde man merkt es vieler neuer Musik schon an, dass sie immer schneller und billiger produziert wurde. Und dann nimmt Spotify auch Einfluss auf den ganzen vorgelagerten kreativen Prozess, zum Beispiel dürfen Intros von Liedern nicht zu lange sein, wenn man in die Playlists aufgenommen werden will.“ Ein System, dass die künstlerische Freiheit des Musikers eher untergräbt als sie zu fördern – wie Spotify es so gern propagiert. Doch für Dota steckt ein noch viel monumentaleres Problem hinter den aus den Boden sprießenden Streaming-Anbietern: „Ich nutze Spotify auch und finde es super praktisch, aber mir gefällt es überhaupt nicht, dass wir uns in Abhängigkeit von so wenigen so großen Firmen begeben, also die ganz großen Player wie Amazon, Google und Apple. Ich möchte nicht mein ganzes Leben von diesen Firmen abhängig machen. Die Unabhängigkeit ist in dem Tonträger und ich freue mich über Leute, die noch Tonträger kaufen, weil dann das Geld auch wirklich direkt bei der Band landet.“ 

Im Gespräch mit Dota wird die Brücke doch immer wieder – und das ist auch nicht verwunderlich bei einer Musikerin – zur Musik geschlagen. Aber vielleicht liegt genau hier der Knackpunkt im Thema Freiheit. Musik, als Ventil für angestaute Emotionen, Musik, als universale Sprache, die dann doch auf tausend verschiedene Arten übersetzt werden kann. Musik, als Kulturgut ein Grundpfeiler einer Gesellschaft. „Musik kann so viel Trost und so viel Freude spenden. Es ist das Schönste, was es gibt. Singen und Tanzen – was ist mehr Ausdruck von Lebensfreude?“

 

Wer Dota demnächst live erleben will, sollte sich schonmal den 26.01.2019 frei halten. Dota wird nämlich im Rahmen des Impuls-Festivals hier in Passau in der Redoute zusammen mit ihrer Band auftreten. Tickets für das Impuls-Festival findet ihr unter diesem Link

Beitragsbild: Annika Weinthal