Ein Interview mit dem Uniarchivar
Mario Puhane ist gebürtiger Passauer und Absolvent der Universität. Am wichtigsten jedoch: Er ist seit 2008 Uniarchivar. Doch was bedeutet das? Wir haben ihn zu seiner Arbeit befragt:
Hallo, schön, dass Sie sich für ein Interview Zeit genommen haben. Wollen Sie sich kurz vorstellen?
Mein Name ist Mario Puhane und ich bin seit 2008 der Uniarchivar, genauer gesagt der Leiter des Referats Archiv, Dokumentation und Registratur.
Was macht ein Archivar und wie sieht Ihr Arbeitsalltag aus?
Der Archivar ist dafür verantwortlich, dass die für die Institution wichtigen Unterlagen für die Nachwelt aufgehoben werden. Einen Alltag gibt es nicht. Wir haben 12 000 Studierende sowie 1300 Mitarbeitende und diese produzieren laufend etwas für das Archiv. Hierzu kommen noch externe Anfragen. Ich frage also permanent Informationen ab oder recherchiere und bereite vor, damit ich dann Fragen beantworten kann. Es ist ein ständiges Hin und Her.
Machen Sie diese Arbeit allein oder haben Sie Mitarbeitende?
An der Uni Passau gibt es nicht die Zweiteilung zwischen Registratur und Archiv. Registratur ist die Vorstufe vom Archiv und ist bei uns mit dem Archiv zusammengefasst. Das heißt, ich bin der Leiter der Registratur und der Archivar.
Die Aufgaben der Registratur sind: Vergabe von Aktenzeichen, Führung von Aktenverzeichnissen sowie die Einordnung, Entnahme, Bearbeitung und Übernahme einzelner Schriftstücke einer Akte.
Ich habe zwei feste Mitarbeiter. Eine Lageristin, die für den Kontakt zu den Magazinen, zum Ausheben und für den Transport zuständig ist. Sie sorgt dafür, dass die Magazine fürs Archiv und die Registratur funktionieren. Außerdem habe ich einen Mitarbeiter, der die Vorstufe Archiv und hauptsächlich die Alltagsarbeit des Registrators übernimmt. Er erledigt also alles, was anfällt, das zu jung für das Archiv ist. Wir haben auch noch mehrere Hilfskräfte, die für Erfassungs- und Sortierungsarbeiten sowie das Ein- und Umladen zuständig sind.
Ein Magazin ist ein Raumbereich eines Archivs und dient der Lagerung von Registratur- oder Archivgut.
Ab wann werden dann Dokumente archiviert?
Das ist ganz einfach: wenn die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist. Es gibt gesetzliche oder andere Aufbewahrungsfristen mit unterschiedlicher Dauer. Wenn diese Frist abgelaufen ist, kann man aussondern. Das bedeutet, Dokumente werden entweder weggeworfen, also datenschutzgerecht entsorgt, oder dem Archiv angeboten. Die Zeitspanne kann von einem halben Jahr bis zu 50 Jahren variieren und ist völlig unterschiedlich.
In Bayern liegt die gesetzliche Aufbewahrungsfrist für Klausuren und Seminararbeiten bei 6 Jahren bzw. 12 Semestern.
Haben Sie Beispiele für unterschiedliche Aufbewahrungsfristen?
Ein Beispiel für ein halbes Jahr ist, wenn jemand von der Verwaltung ein Dokument hat, das er weglegen, aber noch nicht wegwerfen will. Dieses Dokument behalten wir ein halbes Jahr und vernichten es dann. Weglegen ist also die Vorstufe des Papierkorbs. 50 Jahre Aufbewahrungsfrist wären Personalakten von Beamten. Das ist aber nicht unbedingt so, nur weil es kompliziert ist wegen der Ruhestandsregelungen.
Was passiert, wenn die Aufbewahrungsfrist der Akten abgelaufen ist?
Nach dieser Aufbewahrungsfrist werden die Stücke dann vom Registrator ans Archiv übergeben und man überprüft, wie weiter damit verfahren wird. Dabei gibt es drei klassische Kategorien: Wegwerfen, Sofort Übernehmen und meistens aber Bewerten. Bewerten bedeutet, dass sich die Akte noch einmal angeschaut wird. Vieles ist in manchen Akten doppelt oder unnötig, weshalb nur ein Teil davon übernommen wird. Ist man sich nicht sicher, dann bewertet man die Akte zuerst. Es gibt also immer K für Kassieren, also wegwerfen, A für Archivieren und B für Bewerten. Das tritt immer dann ein, wenn die Aufbewahrungsfrist abgelaufen ist. Das Bewerten kann also täglich passieren.
Wo wird das Ganze gelagert?
Es wird alles an der Uni gelagert. Wir haben duzende Räume, Keller oder Dachböden, über den ganzen Campus verteilt. Es gibt noch keine digitale Verwaltung. Das kommt in Zukunft, irgendwann einmal. Es gibt folgende Philosophie: alles, was in Papierform ins Archiv gekommen ist, soll auf Papier aufgehoben werden und das, was digital vorhanden ist, auch digital bleiben. Außer es ist so wichtig, dass man eine Sicherheitskopie auf Papier anfertigt. Aktuell ist aber noch alles auf dem Papierweg.
Es wird also nichts digitalisiert?
Digitalisieren heißt hierbei Dokumentenmanagement. Das bedeutet, alles, was an Verwaltung anfällt, müsste digital sein. Wir sind überall in den Anfängen und teilweise schon bei der Digitalisierung.
Das ist eine Mammutaufgabe, nicht einfach nur scannen. Digitales Archivieren ist viel aufwändiger. Es muss eine Qualitätskontrolle dabei sein, ob das, was gescannt wurde, auch das vollständige Dokument ist. Außerdem sollte das Ganze mit einem Strichcode versehen und verschlagwortet werden.
Die Gretchenfrage ist: Wenn alles digital ist, schmeißen wir dann das Papier weg?
Das wird nie passieren, weil der Aufwand, etwas zu digitalisieren, zu groß ist. Man könnte den laufenden Betrieb und das Retrodigitalisieren nicht gleichzeitig schaffen. Retrodigitalisieren heißt, einen Ausdruck zu scannen und wieder in den laufenden Betrieb einzuspeisen. Nur wirft man dann das Original weg? Das wird im Normalfall nicht passieren.
Elektronische Archivierung steht allgemein für die Aufbewahrung von Informationen in elektronischer Form. Für die elektronische Archivierung werden in der Regel spezielle Archivsysteme eingesetzt.
Was ist die älteste Quelle im Uniarchiv?
Grundsätzlich übernehmen die Archive auch immer die Bestände von ihren Vorgängern. Wenn man die Uni Passau nimmt, dann ist die Vorgängerin davon die Philosophisch-Theologische Hochschule Passau. Aber schon im Jahr 1622 ging es los mit der Jesuitenhochschule. Diese wurde dann 1773 aufgelöst. Anschließend kam die fürstbischöfliche Akademie. Aus dieser Zeit haben wir Rechnungsbücher aus dem Jahr 1785. Das sind unsere ältesten Stücke.
Was würden Sie mitnehmen, wenn ein Feuer ausbricht?
Einmal würde ich die Siegelverleihungsurkunde der Universität Passau mitnehmen. Das ist die Urkunde, mit der die Uni ihr Siegel bekam. Sie ist die wichtigste Urkunde. Die würde ich retten. Wir haben noch etwas in den Unterlagen gefunden, die Säkularisationsliste von 1803. Das sind die beiden Sahnestücke: 1978 und 1803.
Was ist Ihre Lieblingsanekdote, die Sie auf der Campusführung gerne erzählen?
Meine Lieblingsanekdote handelt von der berühmten roten Telefonzelle, die beim Audimax steht. Sie ist eine original englische Telefonzelle. Studierende haben sich eine Telefonzelle in London ausgesucht, weil damals die britische Telekom diese schönen Telefonboxen aussortierte. Die Studierenden organisierten einen Transport nach Passau, jedoch kam die Telefonzelle völlig verkratzt an. Sie sollte schließlich bei einer Lackiererei in Passau wiederhergerichtet werden. Beim Abladen zerfiel die Telefonzelle aus Gussstahl dann in 1000 Teile. Auf eigene Kosten brachte die Lackiererei dann eine neue Telefonzelle von London nach Passau und lackierte diese neu. Jetzt steht in Passau quasi die Telefonzelle 2.0. Irgendwann gab es auch noch atmosphärische Störungen zwischen Studierenden und Unileitung. Denn eigentlich war geplant, dass die Telefonbox mit einem Anruf eröffnet wird. Also, dass der damalige Präsident an einer englischen Partneruni anruft : „Passau is calling“; und anschließend gäbe es in der Mensa Fish and Chips für alle Beteiligten. Wir haben aber keinen Beleg, dass dies passiert ist. Wir kennen nur den Vorschlag in unseren Akten, aber es gab weder einen Bericht noch eine Pressemitteilung, dass die Telefonzelle in Funktion gegangen ist. Sie ist aber da und hat auch bis 2016 als Telefon funktioniert. Das ist eine kleine Anekdote, die mir besonders gefällt.
In unsrem Interview entstand ein interessantes Gespräch über das ehemalige „Ghetto“ an der Uni Passau. Wie sich Studierende für den Erhalt ihres Wohnraums eingesetzt haben und was sich mit der Zeit verändert hat, erfahrt ihr in einem anderen Artikel.
Wir bedanken uns bei Mario Puhane für die spannenden Einblicke in den Alltag eines Archivars.