Aller guten Dinge sind sechs für Chris Tall.
Sechs Mal wurde der Hamburger Stand-Up-Comedian von Förderer Stefan Raab in dessen Show „TV total“ eingeladen. Die ersten fünf Male spottete Tall noch brav über Banalitäten und plauderte aus dem Nähkästchen: Das RTL-Nachmittagsprogramm, seine ehemaligen Lehrer, seine Familie, die Schule. Nichts Ungewöhnliches, nichts Unerwartetes, das Übliche im privaten Fernsehen eben. Nichts, was dem thematischen Mainstream der anderen Pro7-Kasper allzu fern liegt.
Aber der sechste Auftritt sollte entscheidend sein für die künstlerische Karriere des mittlerweile 26-Jährigen: Im Oktober 2015 wich der dickliche Komiker von seinem bisherigen Kurs ab, mokierte sich über zahlreiche Minderheiten und stellte die Frage „Darf er das?“. Natürlich rhetorisch gemeint. Tall vertritt die Ansicht, solange man über sich selbst lachen könne, sei dem Humor keine Grenze gesetzt. So macht sich der Fernsehclown zunächst über sein Doppelkinn lustig und zieht anschließend den schnellen Dunkelhäutigen oder den über den Dingen sitzenden Rollstuhlfahrer derb durch den Kakao. Unabhängig vom Niveau dieser Scherze und ihrer gesellschaftlichen Relevanz löste die Performance eine political-correctnes-Debatte in sämtlichen Leitmedien aus. Unausweichlich die selbst aufgebrachte Frage, ob er es nun darf oder nicht, ob es verletzender ist Minderheiten aus der komödiantischen Schusslinie zu nehmen oder konkret auf sie zu zielen.
Der Hashtag #darferdas überschwemmte die schnell urteilenden sozialen Netzwerke, mal galt Tall als Pegida-nah, mal als aufsteigender Stern der deutschen Comedy. Er selbst distanzierte sich auf Facebook von den Vorwürfen: „Ich möchte hier keinen Applaus von der rechten Seite“. Es sei sein Verständnis von Gleichberechtigung, sich über alle im gleichen Maße lustig machen zu dürfen, so Tall.
Heute, gut anderthalb Jahre nach Talls berühmten Auftritt haben sich die Wogen geglättet, die Diskussionen sind, irgendwo zwischen Meinungsfreiheit und gutem Geschmack, im Sande verlaufen.
Als einziger Gewinner geht der Entfacher der Debatte hervor: Chris Talls Facebook-Likes verzehntfachten sich unmittelbar in Folge seiner Darbietung, er witzelte sich von TV-Show zu TV-Show und über seine Website vertreibt er mittlerweile neben T-shirts, Kappen und Turnbeuteln auch Kühlschrankmagneten, sowie Kaffeetassen, jeweils mit seiner berühmten Frage als Aufschrift. Sogar einen gleichnamigen Song hat der Komiker herausgebracht.
Mit seinem mittlerweile zweiten Programm „Selfie von Mutti- Wenn Eltern cool sein wollen“ tourt Tall nun weniger politisch und polarisierend durch die zumeist ausverkauften Hallen der Bundesrepublik. Inhaltlich geht er dabei zurück zu seinen TV-Wurzeln, indem er Mario Barths ausgelatschte „Mann-Frau-Nummer“ in eine „Eltern-Kind-Geschichte“ umwandelt. Der junge Komiker mit dem freundlichen Mondgesicht thematisiert dabei unter anderem die Anpassungsschwierigkeiten seiner Eltern an die Jugendsprache und seine Abneigung gegen das Wandern. Und das darf er in jedem Fall.
Am neunten Juni kommt Chris Tall in die Drei-Länder-Halle nach Passau, es gibt noch Karten.