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Es wird eng – über Hörsäle und Einzimmerwohnungen

Gut einen Monat ist es jetzt her, dass sich auf der Innwiese vor der Universität hunderte Erstsemester versammelten, um zur alljährlich stattfindenden Keipentour aufzubrechen, für viele einer der wichtigsten Programmpunkte der Orientierungswoche.

Gleichzeitig schwärmten die Kleingruppen in die umliegenden Bars aus, um sich wenig später in hoffnungslos überfüllten Kneipen mit lauter Gleichgesinnten um den Tresen zu drängen. Nur mit viel Glück konnte man einen der begehrten Sitzplätze ergattern. Wer zu spät kam, war gezwungen, sein Bier draußen auf dem Bürgersteig zu trinken.

Ein Szenario, das der feierwütige Qietschie leicht verkraftet. Dass es allerdings eine Woche später in den Hörsälen genauso zugehen würde, damit hatte zu diesem Zeitpunkt keiner gerechnet. Schon 20 Minuten vor Vorlesungsbeginn mancher Einführungsveranstaltungen drängten sich an die 200 Studenten vor dem Hörsaal wie vor einem Konzert kurz vor Einlassbeginn. Wer kurz vor knapp kam, hatte oft nicht mehr die Möglichkeit, den komplett überfüllten Raum überhaupt zu betreten. Schnell wurde klar, dass die über 4000 neu zugelassenen Studenten mit einem großen Platzproblem zu kämpfen hatten. Nie gab es so viele Erstsemester an der Universität Passau wie in diesem Wintersemester.

Die hohen Studentenzahlen erschweren den Studieneinstieg  jedoch nicht nur für die Studenten, sondern auch für Professoren. Um einen genaueren Eindruck davon zu bekommen, wie diese mit so viel mehr Studierenden umgehen, haben wir Dr. Günther Koch befragt. Er lehrt am Lehrstuhl für Deutsche Sprachwissenschaft und hält Vorlesungen wie Sprachkritik oder den Einführungskurs in die germanische Medienlinguistik. In letzterem verzeichnet Koch aktuell circa 300 Studierende, welche die Veranstaltung besuchen. “In der Regel nehmen etwa 120 Teilnehmer die Veranstaltung im Wintersemester wahr”, so Koch.

Auch die Organisation von Veranstaltungen und Klausuren wird zur Herausforderung, da entsprechend große Räume benötigt werden. “In den Hörsälen muss ja immer ein Platz zwischen den Prüflingen frei bleiben. Da bleibt keine andere Lösung, als zumindest zwei Klausurgruppen anzusetzen. Entsprechend muss ich nicht nur zusätzliche Aufsichten führen, sondern auch weitere Klausurangaben erstellen. Das kostet bestimmt einen ganzen Arbeitstag. Außerdem müssen sich die Studierenden auf recht lange Korrekturzeiten einstellen.”, erklärt er. Es wird klar, dass auch Professoren unter der Situation leiden.

Doch wie gestaltet sich der Kontakt zwischen Dozent und einer so riesigen Masse an Studenten? Dr. Koch versichert, dass er weiterhin versuche, alle Anfragen der Studierenden zu beantworten. Für ihn ist die Sprechstunde in Form eines direkten Gespräches oft einfacher als nur die Kommunikation per E-Mail. “Da nehme ich mir, falls erforderlich, auch gerne mehr als eine Stunde Zeit.”

Viel Arbeit hat auch die Verwaltung, denn die muss sich um die erhöhte Anzahl der Studierenden kümmern. Frau Jordan, Mitarbeiterin der Pressestelle, sieht die Wurzel des Problems der Überfüllung nicht in der Not nach Fördergeldern und in der vermehrten Zulassung von Studierenden: Für Sie läge das an der allgemein erhöhten Nachfrage durch das Wachstum an Abiturienten in diesem Jahr. Nicht jeder Dozent ist auf die Masse an Studenten vorbereitet und lässt Vorlesungen aufzeichnen.
Auch die Hörsaalzählung in der 2. Vorlesungswoche gibt der Raumsituation kein schmeichelhaftes Bild: “93 Prozent in den Kernzeiten (Mo-Do 8-18 Uhr), 67 Prozent in den Randzeiten (Mo-Do 18-20 Uhr und Fr 8-14 Uhr).” Diese hohen Zahlen wirken sich auf die Raumverteilung aus, da bereits zum Vorlesungsbeginn “91 Veranstaltungen als überfüllt gemeldet” wurden und in andere Räume umgebucht werden mussten. Von einer Überfüllung kann aber laut der Universität noch nicht gesprochen werden, da noch nicht mehr Menschen im Raum gewesen sind als Plätze vorhanden waren.
Das Wachstum hat neben der Universität auch unmittelbar Auswirkungen auf die Wohnungssuche. Die Universität ist sich dieser “Wohnraumknappheit” bewusst und versucht der Knappheit mit mehreren Maßnahmen zu begegnen: Sie Sprechen Privatmieter in der Region über die Medien an. Außerdem sprechen sie mit den Städten und Gemeinden im Landkreis und aktivieren Netzwerke wie den Neuburger Gesprächskreis und  den Verein der Freunde und Förderer, um Vermietungen im Landkreis sowie Kostenzuschüsse für die Fahrt zur Universität zu organisieren.
Die Universität sieht die Situation positiv und ist zuversichtlich, dass alle Studierende mit Wohnraum versorgt werden können.

Die Vorbereitung ist da, aber wann sind die Ergebnisse in der Veranstaltung zu sehen?

Die erhöhten Studierendenzahlen wirken sich nicht nur in den Hörsälen aus, auch die Wohnungssuche hat sich dieses Jahr schwieriger als gewohnt gestaltet. Das ging soweit, dass einige zu Beginn des Semesters immer noch ohne feste Bleibe endeten. Demzufolge ist es keine Seltenheit in einer Vorlesung vom Sitznachbar gefragt zu werden, ob man denn eine freie Couch für ein paar Wochen hätte. Andere pendeln täglich mehrere Stunden.

Eine dieser Menschen ist Anna. Seit Beginn der Orientierungswoche lebt sie in einer Pension. Von dort aus braucht sie mit dem Fahrrad 15 Minuten zur Uni. Sie hat Glück, denn ihr Fahrrad kann Sie dort unterstellen und auch ein paar Lebensmittel kann sie in einem Minikühlschrank auf ihrem Zimmer aufbewahren. Trotzdem fehlt ihr eine geeignete Kochmöglichkeit weshalb sie auf die Mensa angewiesen ist. Neben der zusätzlichen finanziellen Belastung sieht Anna auch ihre Lernfreiheit eingeschränkt, da ein Pensionszimmer eben einfach kein eigenes Zimmer mit Lernatmosphäre ist. Auf 55 Vorstellungsschreiben hat sie sieben Antworten bekommen, davon drei Absagen. Dass das frustrierend ist, ist klar. Letztendlich hat Anna ab Mitte November eine Einzimmerwohnung bekommen. Doch die weiteren 40 Bewerber bleiben auf der Strecke und müssen Wohl oder Übel weiter suchen.

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