Rekord-Inzidenzen und überfüllte Intensivstationen – die Corona-Ampel steht auf rot und es ist alles ziemlich bedrückend. Zusätzlich scheint der goldene Herbst nun endgültig vorbei zu sein und Passau versteckt sich unter Nebel und Nieselregen. Wenn man durch die Straßen läuft, üben die erleuchteten Fenster von Cafés und Restaurants daher eine beinahe magnetische Anziehungskraft aus und ein heißes Getränk zum richtigen Zeitpunkt kann einem schon mal den Tag retten. Diese Ausgabe der Lokalrunde dreht sich darum, was so alles hinter einer richtig guten Tasse Kaffee steckt, in einem Café, das sich gleich gegenüber der Uni befindet…
…das Café Stopover.
„Die schnelle Motorik muss da sein, man muss die Kunst beherrschen und unheimlich schnell sein. Das kann man nur machen, wenn man das Ganze, wie etwa beim Autofahren, vorausschauend sieht. Wenn alle Handgriffe sitzen und das Ganze läuft, ist da auch ein gewisser Adrenalinpegel, der dabei freigeschaltet wird.“
Stephan Mason Inan, der Eigentümer des Café Stopovers in der Innstraße, beschreibt hier nicht etwa irgendeine Action-Sportart, sondern die Barista-Tätigkeit an der Kaffeemaschine. Bei einem Gespräch mit ihm merkt man sofort, dass er für seinen Beruf brennt und über die Jahre sehr viel Wissen über die Kaffeekunst gesammelt hat. Immer bestrebt, die bestehenden Techniken und Aromen noch zu optimieren, und gleichzeitig auch auf der Suche nach neuen Ideen und Kaffeekreationen.
Das Café Stopover gibt es seit 2013, jedoch liegen seine Ursprünge schon sehr viel früher, im Jahr 1999, und nicht in Passau, sondern in Aachen. Dort entstand damals an der RWTH Aachen die Initiative INAC, die das Ziel verfolgt, die Organisation eines Auslandssemesters oder -praktikums für Studierende zu vereinfachen. Die Leidenschaft für Kaffee bestand bei Stephan Mason und den anderen Gründern schon damals und war immer eng mit der Initiative verknüpft. Viele Gespräche mit den Studierenden wurden in der entspannten Atmosphäre der Teeküche bei einer Tasse Kaffee geführt. INAC wuchs und zog in eine neue Lokalität ein, das Helpdesk wurde nun mit professionellen Kaffeemaschinen ausgestattet. Der Andrang auf den Kaffee wurde irgendwann so groß, dass daraus das Café Stopover als eigene Marke entstand. „Die meisten Gründer von INAC sind aus der Ingenieursschiene. Bei Kaffee spielen sehr viele Parameter eine Rolle: die Außentemperatur, die Luftfeuchtigkeit, die Art der Maschinen. Wahrscheinlich haben wir, ohne es zu merken, ziemlich viel richtig eingestellt,“ scherzt Stephan Mason.
Mittlerweile kennt er die Faktoren, auf die es ankommt, und teilt diese auch gerne mit anderen Kaffeeinteressierten. „Enjoy Quality“ lautet der Slogan des Cafés – und das sind für Stephan Mason nicht nur leere Worte. Denn ob in Aachen oder Passau (wo das Café 2014 eröffnete) – hinter dem Kaffee, der im Café Stopover aus der Maschine läuft, steckt eine kleine Wissenschaft für sich, bei der viele Punkte beachtet werden, um das bestmögliche Ergebnis zu erzielen. Nachfolgend ein kleiner Guide in die Welt des Kaffees aus dem Alltag eines Cafébetreibers.
Der „perfekte“ (Kaffee ist natürlich trotz allem eine Geschmackssache) Espresso wird mit 8-9 Gramm Kaffeepulver gemacht und benötigt circa 25 Sekunden Laufzeit. Diese ist ein Indikator für die Qualität des Kaffees. Bei längerer Laufzeit wird er zu bitter, bei kürzerer Laufzeit zu wässrig. Zudem spielen die richtige Wassermenge und Wassertemperatur, aber auch die Raum- und Außentemperatur eine Rolle. Da sich bei Temperaturschwankungen auch die Bohnen verformen können, muss etwa die Mühle im Café konstant neu eingestellt werden. Auch die Röstung spielt eine große Rolle. Die Bohnen für das Café Stopover werden zum Teil in Aachen, jedoch überwiegend in Italien geröstet. Durch die große italienische Kaffeetradition befände sich die Qualität der von dort stammenden Bohnen immer auf gleich hohem Niveau, meint Stephan Mason. In Deutschland sei die Röstkultur gerade erst in der Entstehung, jedoch gäbe es bereits einige vielversprechende Röster:innen, von denen das Café Stopover Bohnen bezieht, solange die Qualität stimmt.
Die Dauer der Lagerung ist ebenso entscheidend, denn laut Stephan Masons Erfahrung nimmt das Aroma bereits nach 6 Monaten stark ab, sobald eine Packung geöffnet ist. Deshalb werden beim Café Stopover die Bohnen nicht länger als 3-4 Monate gelagert. Zum Vergleich: Im Supermarkt darf Kaffee zwei Jahre lang im Umlauf sein, wenn man von dem aufgedruckten Mindesthaltbarkeitsdatum also zwei Jahre zurück rechnet erhält man das Datum der Röstung. Je nach Kaffeebohne verändert sich in den ersten 10-14 Tagen nach der Röstung fast täglich der Geschmack, weil die geröstete Bohne Kohlenstoffdioxid abgibt, was als „ausgasen“ bezeichnet wird. Das Aromaventil an Kaffeepackungen sorgt dafür, dass CO2 entweichen kann, jedoch keine Luft von außen in die Packung gerät.
Beim Streben nach dem aromatischsten Kaffee muss auch der Zeitpunkt des Mahlens bedacht werden. Im gemahlenen Zustand besitzt die Bohne eine größere Oberfläche und bietet damit auch eine größere Angriffsfläche für Sauerstoff, wodurch erneut ein schnellerer Aromaverlust droht. Früher wurden im Café Stopover deshalb die Bohnen nicht länger als eine halbe Stunde vor der Verwendung gemahlen, mittlerweile kann durch die neuen Mühlen jeder Shot on Demand frisch gemahlen werden. Zwischen Mahlen und Kaffeezubereitung liegen jetzt nur noch Sekunden.
Hinter der Qualität im Café Stopover steckt also eine intensive Beschäftigung mit und eine große Leidenschaft für den Kaffee. Auch der international ausgerichtete Geist, um den herum das Café entstanden ist, macht sich weiterhin dort bemerkbar. Der Kontakt mit internationalen Kaffeekulturen auf Reisen wirkt sich damals wie heute auf die Getränkekarte aus, so standen diesen Sommer etwa „Fredo-Espresso“ und „Fredo-Cappuccino“ auf der Karte, inspiriert von den Kaffeetrends in Griechenland. Das Thema Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle. Alle Verpackungen sind biologisch abbaubar. Das Café Stopover hat außerdem eigene Mehrwegbecher (siehe Bild), die dann bei jedem neuen Getränk gegen frische Becher ausgetauscht werden können. Ein Konzept, das also gleichzeitig hygienisch und nachhaltig ist, und für die Kundschaft und die Lage des Cafés wunderbar funktioniert. Für Stephan Mason Inan ist diese Lage etwas ganz Besonderes, wie eine „kleine Oase“ direkt gegenüber dem Universitätscampus. Der Kundenstamm besteht deshalb auch größtenteils aus Studierenden, die auf eine Kaffeepause aus der Bibliothek flüchten, sich mit dem hausgemachten Bananenbrot stärken oder bei schönem Wetter von der Innwiese aus auf einen Abstecher vorbeischauen.
Auch Katarína Halajová, die seit fünf Jahren im Café Stopover arbeitet und seit 2019 auch die Betreiberin ist, liebt es, sich mit ihrer Kundschaft zu unterhalten, und freut sich über die Bekanntschaften, die so im Laufe der Zeit entstehen. Häufig kommt es vor, dass Studierende jahrelang ihren Kaffee im Stopover trinken, dann aus Passau wegziehen und später bei Besuchen in der Stadt wieder auf ein Getränk und einen Plausch im Café vorbeikommen. Wenn jemand nach einem spezifischen Getränk fragt, immer wieder, oft jahrelang, merkt man, dass man etwas gut macht, meint Katarína in ihrem charmanten Englisch. Katarína ist eine ziemliche Weltenbummlerin. Sie kommt ursprünglich aus der Slowakei, hat schon in den verschiedensten Städten und Ländern gewohnt, unter anderem in London, Frankreich und Prag, und unterwegs eine Menge Gastronomie- und Lebenserfahrung gesammelt. Logisch, dass auch sie ein großer Kaffee-Fan ist und immer wieder gerne neue Getränkekombinationen ausprobiert. Auch außerhalb des Cafés tauscht sie sich nur zu gerne darüber aus und steckt andere mit ihrer Begeisterung an. So wie vor kurzem, als sie bei einer Massage in der Slowakei ihrer Masseuse im Detail erzählte, wie sie den Iced Chai Latte (inklusive weißer Schweizer Schokolade) im Café Stopover zubereitet – und diese sofort drauf und dran war, nach Passau zu kommen, um diesen zu probieren. In Situationen wie diesen, meint Katarína lachend, fällt ihr wieder auf: „Shit, really I just love my job! This is really my thing, people like that just remind you of it.“
Ihre Einstellung ist es, das Leben so zu nehmen, wie es kommt und das Beste daraus zu machen. Mit einer derartigen Ausnahmesituation, wie die Corona-Pandemie sie mit sich brachte, hatte jedoch auch sie sehr zu kämpfen. Katarína erinnert sich nicht gerne an die Zeiten von Lockdown zu Lockdown zurück, das Hoffen auf eine Besserung, die einfach nicht eintreten wollte, die Ungewissheit, und die starke finanzielle Belastung, die sie auch jetzt noch betrifft. Was ihr dabei geholfen hat weiterzumachen, waren die Menschen, die weiterhin kamen, um ihren Kaffee zum Mitnehmen zu kaufen. „They see that life is not over, they can still get coffee. Everybody had a hard time but people still needed coffee.“ Das ist es, was sie weiter antreibt, auch wenn die Aussicht darauf, wie die Lage sich in Zukunft weiterentwickeln wird, unbeständig bleibt. Etwas, das jedoch durch die Krise hindurch beständig geblieben ist und es wohl hoffentlich auch in Zukunft bleiben wird: die einmalige Qualität des Kaffees im Café Stopover.
PS: Übrigens bietet das Café noch Raum für eine Gastronomieseite, die im Moment unbesetzt ist. Wer also eine Idee für ein Gastronomiekonzept hat, das gut zu der Lage bei der Universität und zum Café Stopover passt, kann sich dort gerne bewerben via: info@in-ac.org.
Text: Juliane Krinner
Fotos: Café Stopover
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