Kreativität statt Konsum 

Die Dirndldesignerin Sophia Kotter entwirft regionale, langlebige Mix & Match Dirndl und möchte so gegen das schnelle Konsumverhalten in der Modeindustrie wirken. 

Die Nähmaschinen schnurren zufrieden vor sich hin, im Hintergrund leise Radiomusik, ansonsten konzentrierte Stille. 

Wo man hinguckt, sind Stoffe und Nähzubehör zu sehen. Die Atmosphäre ist entspann und freundlich, selbst die Nähmaschine begrüßt die Schneiderin, wenn sie mit ihrer Arbeit beginnt. 

Hier in der warmen, hellen, leicht chaotischen Näherei, nur 20 Minuten von Passau entfernt, lässt Sophia Kotter ihre Dirndl und Blusen schneidern. 

Jeden Montag kommt sie hier her, um fertige Kleidungsstücke oder Stoffproben abzuholen und sich mit den Schneiderinnen auszutauschen. Die Zusammenarbeit ist so eng, dass die Schnittmeisterin schon von Sophias Dirndln träumt. 

Von einem Traum kann man auch bei Sophias gelagerten Stoffballen sprechen. Ein Meer aus Rosen, Rosa, Spitze und Samt.  All diese Stoffe kommen aus Deutschland oder Österreich. Auch bei den Reißverschlüssen, Knöpfen und Futter legt sie großen Wert auf Regionalität. 

„Alles kommt aus Deutschland. Reißverschlüsse und Knöpfe sogar aus Bayern,“ erklärt die Dirndldsignerin. 

Solche regionalen Kleidungsstücke sind in den letzten Jahren leider zur Seltenheit geworden. Der Wunsch nach möglichst günstigen Kleidungsstücken und hohen Profiten hat dazu geführt, dass die Produktion von Textilien in Ländern mit möglichst günstigen Arbeitskräften stattfindet. 

Die größte „Schneiderei“ unserer Welt ist, nach China, Bangladesch. Arbeitsbedingungen und Löhne dort sind jedoch kaum menschenwürdig. Gerade mal um die 85 € bekommen Einsteiger im Monat, für eine harte, giftige Arbeit in maroden Fabriken. 

Auch Sophia hat schon angeboten bekommen im Ausland produzieren zu lassen. 

Sie erklärt, dass sie dann nur ein Viertel für die Produktion eines Dirndls bezahlen müsste, von dem was sie jetzt bezahlt. Doch das kommt für die, aus einer Schneiderfamilie stammende Bayerin, nicht in Frage. 

„Tracht ist ein Heimatprodukt. Ein Heimatprodukt kommt aus der Heimat,“ ist Sophias Meinung. 

In ihrem ganzen Machen spürt und sieht man diese Heimatliebe. 

Nachdem Opa und auch Papa gelernte Schneid er waren, entschloss sich Sophia nach gründlicher Überlegung, Modedesign an der AMD in München zu studieren. Der Plan: in das Familienunternehmen einsteigen. 

Doch nach zwei Jahren dort, wollte sie einfach mehr Kreativität bei ihrer Arbeit. So entstand an einem feucht-fröhlichen Abend mit einer Freundin, die Idee zum Mix & Match Dirndl. 

„Noch an dem Abend habe ich die ersten Skizzen gemacht,“ erzählt sie lächelnd. 

Das Prinzip: Ein Dirndl, das durch einen Reißverschluss das Mieder vom Rock trennt. Dadurch kann man mit dem Austauschen des Mieders den Gesamtlook völlig neugestalten. 

„Viele haben bis zu zehn Dirndl im Schrank und haben keine Lust, eines davon anzuziehen. Vielleicht passt die Farbe vom Mieder gerade nicht zur Frisur oder das Muster vom Rock gefällt dieses Jahr nicht. Wir Frauen sind da ja manchmal recht speziell. Daher fand ich den Gedanken ganz schön, durch eine kleine Änderung das ganze Dirndl umdesignen zu können,“ erklärt sie ihre Beweggründe.

Diese Erfindung trägt auch zu einem bewussteren Umgang mit Mode bei. Dieser ist in den letzten Jahren durch die Fast Fashion immer mehr verloren gegangen, da man schnell und günstig wieder an neue Kleidungsstücke kam. Daher haben viele Menschen immer weniger darauf geachtet ihre Kleidung gut zu pflegen oder bewusster einzukaufen. 

Es wird nicht daran gedacht, wie ein Kleidungsstück produziert wird oder ob man es auch Jahre lang tragen will. Die Strategie hinter Fast Fashion ist möglichst günstig Mode herzustellen und zu verkaufen, damit Kund en auch möglichst häufig einkaufen können. 

Dadurch haben Brands wie H&M mittlerweile 12 bis 16 Kollektionen im Jahr, Zara sogar 24. 

Laut einem Bericht der Ci-Romero Initiative (https://www.ci-romero.de/kritischer-konsum/kleidung/fast-fashion/ ),hat sich seit 2000 die Kleidungsproduktion verdoppelt, ca. 80 Milliarden Textilien werde jährlich produziert.

Da Modetrends in unserer schnelllebigen Zeit jedoch auch so schnell gehen wie sie gekommen sind und die Qualität bei der günstig produzierten Massenware mangelhaft ist, landen allein in Deutschland jährlich über 1 Millionen Tonnen Kleidung im Müll. 

Frei nach dem Motto: „Der Trend von heute ist der Müll von morgen.“ Dies führt auch zu erheblichen Folgen für die Umwelt, da viele Kleidungsstücke giftige Stoffe enthalten. Die Modeindustrie gehört somit zu den größten Umweltverschmutzern. 

Zu dieser Entwicklung fährt Sophia das komplette Kontrastprogramm. Kreativität statt Konsum ist gefragt. In ihrem Laden „Variasophia“ in der Grabengasse 34 in Passau, dürfen die Kundeninnen ihr Dirndl mit designen. Beim Betreten des hellen und liebevoll eingerichteten Ladens, fallen die Blicke sofort auf die aufgereihten Röcke und Mieder auf der linke Seite des Raumes. Ordentlich und darauf wartend, ausgewählt und kombiniert zu werden. 

Von Rosenmuster bis zu Uni, von Rosa bis Blau lässt sich für jede etwas finden. 

Die Bogenöffnung zum hinteren Teil des Ladens ist wie ein Tor in eine Dirndl-Traumwelt, wo sich farblich sortierte Schürzen und hell beleuchtete Umkleidekabinen befinden. 

Die Designwerkstatt, in der die Kundin ein neues Modell entstehen lässt. Denn jede kann ganz nach Geschmack Rock, Mieder und Schürze zusammenstellen. 

Dadurch macht man sich automatisch mehr Gedanken, über das, was man tragen möchte und wie man es denn vielleicht in ein paar Jahren noch anderes kombinieren könnte. 

Das Bewusstsein für die Mode wird angeregt. Den Gedanken, das Dirndl nach Jahren nochmal neu gestalten zu können behält Sophia immer im Hinterkopf. Sie erklärt, dass der rote Faden bei der Stoffauswahl dabei einer der wichtigsten Faktoren ist. Muster, Farben und Material muss heute auch noch zu den Kreationen in fünf Jahren passen. 

Neben d er Regionalität ihrer Produkte und dem Austausch mit den Kunden ist das einer der wichtigsten Schritte beim Design. 

Von der Idee bis zum fertigen Produkt dauert es etwa zwischen drei bis vier Monaten. 

Die Inspirationen kommen unter anderem durch den Austausch mit den Kunden und auch durch die Nachfrage. Außerdem achtet sie darauf, verschiedene Schnitte für verschiedene Figurentypen zu haben, denn der richtige Schnitt ist das A und O. 

Doch selbst wenn etwas nicht passt, wird es passend gemacht. Dafür nimmt sich Sophia höchstpersönlich Zeit, die Änderungen vorzunehmen. 

Beim Abstecken von Trägern und Anpassen eines Mieders, wird einem wieder bewusst was Mode eigentlich ist. Ein Handwerk. Es heißt schließlich auch nicht umsonst: „Kleider machen Leute.“ 

Auf die Frage, ob die Kunden bereit sind mehr Geld auszugeben, wenn sie wissen, welche Ziel Sophia verfolgt, antwortet sie mit, „Ja!“ 

„Es wird oft danach gefragt wo die Dirndl herkommen und viel Wert daraufgelegt,“ bestätigt die Designerin. 

Es heißt: „Mode ist der Spiegel unserer Gesellschaft.“ Es wird in allen Lebensbereichen wie bei Lebensmittel und Fortbewegungsmitteln auf Nachhaltigkeit geachtet. 

„Da gehört Bekleidung doch total dazu,“ findet Sophia. 

Die ersten Schritte werden gemacht. Immer mehr Designer lassen sich neue Ideen einfallen. Von Upcycling bis Fair Fashion, kommen immer mehr Nachhaltige Brands auf den Markt.

Jetzt sind die Verbraucher aufgerufen, lieber in Qualität und Regionalität zu investieren als in Leid und Umweltverschmutz. 

Sophia schaut positiv in die Mode- Zukunft: „Ich denke, dass der Trend zum Nachhaltigen immer größer wird. Das ist mein Wunsch, aber ich bin da auch relativ optimistisch. Ich kann mir nicht vorstellen, dass der Trend wieder ganz zurückgeht.“