Auf der Suche nach Passaus Straßenkunst – Ein Stadtrundgang.
Das Leben muss hart sein als Nazi in Passau. Zumindest, wenn man den Graffitis Glauben schenkt. Insbesondere in der Innstadt werden den Rechten etwa alle 20 Meter Gewalttaten angedroht. Die martialischen Aufrufe sind künstlerisch jedoch bestenfalls rustikal: „Nazis boxen“-Schwarze Sprühfarbe auf weißer Hauswand, 130 mal 40 Zentimeter, zu finden in der Römerstraße.
Der Sprachduktus ist rau, das Vokabular begrenzt, wenig geht über eine stumpfe Parole hinaus: Nazis, AFDler oder Burschenschaftler sollen entweder gejagt, verprügelt oder gefickt werden. Obwohl es sich bei Ersteren nicht zwingend um mehrere oder gar unterschiedliche Personen handeln muss, der Rechte in Passau hat schreibwütige Feinde. Aber was soll man machen, manche Menschen sind eben doch illegal.
Auf der Suche nach Passaus Graffiti-Perlen finden sich außer wenigen, glücklicherweise halbherzigen und bereits mehrfach durchgestrichenen NS-Symbolcodes unterhalb der Veste Oberhaus, ausschließlich linke politische Standpunktäußerungen. „Passau bleibt links“ heißt es zum Beispiel in der Innstadt. Auch der „Antifa Passau“ scheinen viele Sprayer anzugehören.
In der Carlonegasse am Dom gibt es neben einigen gelungenen Stencils auch ein linkes Graffito ohne die simplen Feindbilder. „Kommunismus ist, wenn wir das nicht mehr machen, weil es niemand verbietet“ heißt es dort trotzig in krakeligen Großbuchstaben zwischen ein paar nichtssagenden Tags. Liebe Bundesregierung, Kapitalismus oder saubere Wände, ihr habt die Wahl.
Bleiben noch die Fußballfans. In Ermangelung eines repräsentativen Sportvereins auf dem Stadtgebiet findet man vielerorts Sympathiebekundungen für den FC Bayern München oder dessen „Schickeria“-Ultragruppe. Vor allem an den Wänden nahe des Bahnhofs wurden erbitterte Kämpfe mit Anhängern des TSV 1860 München ausgefochten. Mehrfach korrigierten die Fans die Ansichten des anderen zu ihren Gunsten, sodass man bei all dem rot und blau beinahe den Überblick verliert, wer zuletzt da war. Doch auch ihre Malereien, in denen sie sich unter Anderem gegenseitig den Tod wünschen, erreichen weder sprachlich noch ästhetisch anerkannte Schaffenshöhen.
Die Universität hingegen strahlt in sterilem weiß. Ordentlich stehen makellos-moderne Gebäude inmitten gepflegter Beete. Der Campus wurde 2009 zum schönsten in Deutschland gewählt, manchem fehlt hier aber das studentische Flair. Stünden nicht in regelmäßigen Abständen Hinweisschilder, man könnte die Uni glatt mit einem Krankenhauskomplex, einer großen Schule oder gar einer riesigen Seniorenresidenz verwechseln. Einzig die Bögen der Eisenbahnbrücke wurden zum gesprühten Ausdruck von Lebensmottos genutzt. „Lachen, lieben, Burschis klatschen“ steht da zum Beispiel hinter Fahrrädern in blassem gelb oder „The Road to Freedom is the Truth“. Daneben eine Horst Seehofer-Schablone („Du Horst“). Es könnten peinlichere Dinge an einer Universität stehen.
Ganz abgesehen von der legalen Wall of Fame, weit ausgegliedert im Passauer Stadtteil Haibach, gibt es kaum etwas, das für die Passauer Straßenkunst-Szene spricht. Mehr Schmiererei als Kunst, mehr Vandale als Banksy, eher Sachbeschädigung als wichtiger Beitrag der Kultur. Dies alles liegt sicherlich im Auge des Betrachters, heutzutage sollte jedoch auch die Mitte der Gesellschaft die Chancen von gelungener Straßenkunst zu schätzen wissen. In Passau ist jede pubertäre Edding-Kritzelei und jeder vereinzelte kleine Tag auf fremden Hauswänden ein weiterer Schuss Öl in die konservative Flammen jener, die gegen die bösen Studenten wettern. Denn auf uns fällt es letztendlich zurück. Und ohne zu etwas aufrufen zu wollen, das können wir besser.