Nach 15 Jahren sind die alljährlichen Nachhaltigen Wochen aus dem Passauer Sommersemesterprogramm nicht mehr wegzudenken. Aus diesem Anlass sprach blank mit Organisatorin Laura Fuchs (26) über Herausforderungen und Lichtblicke des nachhaltigen Engagements.
Ein persönlicher Einblick
Die Studentin der Kulturwirtschaft und Betriebswirtschaftslehre ist seit 2016 an der Universität Passau und befindet sich in den letzten Zügen ihres Masterstudiums. Sie erinnert sich an ihr Auslandssemester in Málaga im Jahr 2018 – dort begann ihr Interesse an nachhaltiger Ernährung. Vor allem der stressfreiere Studienalltag ermöglichte es Laura, Zeit für Themen zu finden, die nicht auf dem Lehrplan standen. Mit Beginn des Masterstudiums ein paar Jahre später wuchs ihr Wunsch, sich aktiver zu engagieren. Seit drei Jahren ist sie nun Mitglied der Hochschulgruppe Nachhaltigkeit, die sie inzwischen auch leitet.
Nachhaltigkeit bedeutet für mich, über mein tägliches Handeln und über mein Sein nachzudenken und darüber, welche Auswirkungen das hat.
Laura Fuchs
Aber nicht nur negative Auswirkungen zu reduzieren oder bestenfalls in positive umzuwandeln, liegt ihr am Herzen. Auch die Gemeinschaft der Menschen, die sich genau dafür einsetzen, spielt eine große Rolle: „Im Zusammenhang mit Nachhaltigkeit habe ich kaum eine Person getroffen, die ich nicht mochte. Das sind oft wahnsinnig warmherzige, liebe und motivierte Menschen.“
Eine nachhaltige Universität?
Nachhaltigkeit spielt nicht nur in Lauras Leben eine große Rolle, sondern auch an der Universität Passau. „Die Universität ist bekannt für ihre inter- und transdisziplinäre Forschung, die sich weitgehend an den drei übergreifenden Themen der Universität ausrichtet – Europa, Nachhaltigkeit und Digitalisierung“, heißt es auf der Website. Die Hochschulgruppe Nachhaltigkeit deckt studentisches Engagement ab und bietet Raum, nachhaltige Projekte und Aktionen zu initiieren und durchzuführen. „Was die Studiengänge oder das Alter angeht, sind wir ein bunter Haufen“, erzählt Laura. Nur die Geschlechtervielfalt fehle etwas, hauptsächlich Studentinnen engagieren sich. Und trotz einer gut gefüllten Whatsapp-Gruppe fehle es oft an wirklich engagierten Mitgliedern: „Das ist aber auch verständlich, alle sind mit ihrem Studium schon sehr beschäftigt und arbeiten oft noch nebenbei.“ Neue Mitglieder zu gewinnen, das ist nun das dringlichste Ziel der Hochschulgruppe.
Doch auch wenige Hände können Großes tragen – das zeigen Laura und vier weitere Engagierte, die zum Teil sogar aus dem Ausland unterstützen, mit den diesjährigen Nachhaltigen Wochen. Vom 10.06. bis zum 22.06. wurden rund 20 Veranstaltungen für alle Interessierten angeboten. Das Angebot war breit gefächert, denn Ziel der Nachhaltigen Wochen ist es, die Vielschichtigkeit der Thematik aus unterschiedlichen Perspektiven näher zu beleuchten. „Es gibt Fachvorträge, zum Beispiel zu Nachhaltigkeitsstrategien in Unternehmen. Oder Workshops, sei es zur Lebensmittelverschwendung oder zum Bau eines Insektenhotels.“ Im Rückblick auf die vergangenen Wochen ist Laura positiv gestimmt. Die Besucher:innenzahlen seien gut gewesen: „Wenn wir das Gefühl haben, es sind ein paar Leute zu den jeweiligen Veranstaltungen gekommen, sie hatten Spaß, konnten etwas mitnehmen und haben sich inspiriert gefühlt, dann war es erfolgreich.“
Der Wandel der Zeit
Nachhaltige Wochen, eine nachhaltige Hochschulgruppe – der Begriff muss heute kaum noch erklärt werden. Dabei ist das noch gar nicht lange so: Erst seit Mitte der 1980er Jahre ist der Begriff in aller Munde. Zuvor wurde das Konzept Nachhaltigkeit fast ausschließlich in der Forstwissenschaft verwendet. Im Brundtland-Bericht ‚Unsere gemeinsame Zukunft‘ der Weltkommission für Umwelt und Entwicklung wurde der Begriff der nachhaltigen Entwicklung 1987 erstmals definiert und ist seitdem aus vielen Debatten nicht mehr wegzudenken. In den 1990er und 2000er Jahren gab es vermehrt Umweltkonferenzen, Nachhaltigkeit hielt Einzug in die Unternehmenspraxis und Umweltbewegungen begannen, das öffentliche Bewusstsein zu schärfen.
Einen Höhepunkt erlebte der Fokus auf Nachhaltigkeit in den 2010er Jahren – Fridays For Future und globale Klimastreiks, an denen sich seit September 2019 weltweit Millionen Menschen beteiligen, fordern Regierungen, Unternehmen und Gesellschaft zum Handeln auf. Die Politik konnte sich zumindest zu Versprechungen durchringen.
Wie eine Pandemie die Nachhaltigkeit in die Krise stürzte
Und was kam dann? Die Corona-Pandemie und mit ihr eine Verlagerung der medialen Berichterstattung und der politischen Prioritäten auf Bewältigung, wirtschaftliche Erholung und Sicherheit. Viele der 2019 gemachten Versprechen konnten nicht eingehalten werden: China ist noch weit entfernt von der Erreichung der Emissionsziele, die für die Zeit vor 2030 in Aussicht gestellt wurden. Brasilien hat seine Ziele zur Reduzierung der Abholzung des Amazonas-Regenwaldes nicht erreicht. 2020 verfehlte Deutschland seine Klimaziele zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen trotz der durch die Pandemie verursachten wirtschaftlichen Abschwächung.
Auch in der Bevölkerung sind Fragen der Gesundheit und der finanziellen Absicherung durch die Pandemie in den Mittelpunkt des Interesses gerückt. Darüber hinaus hat die Vielzahl globaler Krisen seither zunehmend ein Gefühl der Überforderung hervorgerufen, das zu einem nachlassenden Engagement führt. „Ein Problem ist einfach, dass es nicht wahnsinnig sexy ist und oft sehr deprimierend. Diese deprimierten Momente habe ich jeden Tag“, erzählt Laura. Und am 09.06. zeigte sich, welche Debatten aktuell für viele Wählende relevant sind und welche nicht: „An den Ergebnissen der Europawahl sieht man, dass Nachhaltigkeit für viele nicht das Oberthema ist.“
Und jetzt?
Bei Laura ist das anders – und sie ist optimistisch, dass das nicht nur bei ihr so ist. „Ich glaube schon, dass wir in den letzten Jahren das Problem hatten, dass nicht nur die Nachhaltigen Wochen nicht so gut besucht waren, sondern generell das soziale Leben nicht stattgefunden hat. In meiner persönlichen Wahrnehmung blüht das wieder auf.“ Laura hofft, dass das Thema Nachhaltigkeit jetzt einen Aufschwung erlebt. Durch ihre Tätigkeit in einer Strategieberatung hat sie bereits Einblicke in verschiedene Unternehmen erhalten und arbeitet aktuell im Corporate Development Bereich eines Industrieunternehmens – und aus regulatorischer und unternehmerischer Sicht sehe es ebenfalls ganz gut aus: „Viele Unternehmen machen super viel in Richtung Nachhaltigkeit. Auch auf EU-Ebene passiert mit dem Green Deal gerade einiges.“ Dieser Klimaplan soll Europa bis 2050 zum ersten klimaneutralen Kontinent machen.
Ideen und Vorschläge, wie das Thema wiederbelebt werden könnte, gibt es viele: Laura ist über einen weniger zeitintensiven Uni-Alltag zur Nachhaltigkeit gekommen – brauchen Studierende mehr Zeit für nachhaltiges oder soziales Engagement? „Ich habe mal nachgefragt, ob es möglich ist, sich die Mitgliedschaft in unserer Hochschulgruppe für das Studium anrechnen zu lassen, weil es der Uni ja ein wichtiges Thema ist“, erzählt Laura. Positive Anreize schaffen ist das Stichwort, aber die Studienordnung macht es kompliziert. Bewusstseinsbildung wie die Nachhaltigen Wochen, aber auch technologische Innovationen, zu denen die Universität durch ihre Forschung beiträgt, sind relevante, zukunftsorientierte Ansätze.
Eine Einladung
Wie die Aktivist:innen zur Thematik Nachhaltigkeit kommen und wie sie ihr Engagement leben, unterscheidet sie. Aber Zusammenhalt, Herzlichkeit und Motivation verbinden. Laura und die Hochschulgruppe Nachhaltigkeit tragen dazu bei, dass trotz der vielen aktuellen Krisen das, was uns alle verbindet – die Zukunft unseres Planeten – nicht in Vergessenheit gerät. Und so lädt sie alle ein, sich zu engagieren, Teil der Hochschulgruppe zu werden. Vor allem aber:
Seid lieb zueinander. Das wünsche ich mir von den Studierenden.
Laura Fuchs