Nebel im Hirn: Ein Ritalin-Hörspiel

Vernebelte Gedanken hatte wohl jeder von uns schon mal. Sei es nach einer durchzockten oder durchzechten Nacht, nach dem Konsum nicht-heimischer Gartenkräuter oder nach einem völlig eskalierten vierzehnstündigen Powernap: alles fühlt sich irgendwie seltsam an, seltsam und unwirklich – wie in einer Blase. Für Leute, die Psychopharmaka konsumieren (müssen), ist dieser Zustand nicht selten Alltag. Diese oft zur Behandlung psychischer Erkrankungen verschriebenen Medikamente halten die bösen Geister im Kopf im Zaum, dämpfen dabei aber häufig nicht nur die negativen Empfindungen, sondern auch alles andere.

Der 23-jährige Alexander Moser, seines Zeichens Student an der Uni Passau, ist einer dieser Menschen. Nachdem er als vorpubertärer Schüler ständig durch Teilnahmslosigkeit und impulsives Verhalten auffällig geworden war, erhielt er mit zwölf die Diagnose „Aufmerksamkeitsdefizit-/Hyperaktivitätsstörung“ – ADHS. Mittel der Wahl für diese Erkrankung ist das Psychopharmakon Methylphenidat (Ritalin). Bis zu seiner Volljährigkeit hat Alex daraufhin mit den teils gravierenden Nebenwirkungen des Medikaments zu kämpfen. Mit dem  Projekt „Ritalinkonsum – Nebel im Hirn“ haben freiwillige Schüler der FOS/BOS Passau unter der Leitung von Lehrerin Julia Gais nun versucht, Alex‘ Geschichte in einem professionell produzierten Hörspiel nachzuerzählen, um zu zeigen, dass Tabletten vielleicht nicht immer die beste Lösung sind.

Klingt gut 

Eigens dafür wurde nach Fertigstellung des Projekts im Veranstaltungsraum der Schule ein Hörspielabend aufgezogen, der zugleich als Premiere fungierte: Im Beisein des kompletten Produktionsteams, des Schulleiters Dr. Hagenmüller und Dr. Oliver Hahn von der Uni Passau wurde das Werk zum ersten Mal der Öffentlichkeit präsentiert. Nach einigen Vorworten zum langwierigen und  aufwändigen Entstehungsprozess (acht Monate) in Kooperation mit dem Zentrum für Medien und Kommunikation der Uni Passau, beginnt das Hörspiel mit düsteren Klängen und einer an die Thematik angepassten Version des Kinderlieds „Der Mond ist aufgegangen“. Schon in den ersten Minuten wird klar: hier hat die Hörspiel-AG der FOS/BOS keine halben Sachen gemacht. Professionelle Audioqualität, atmosphärische Sounds und kompetente Sprecher führen den Hörer in die zerrüttete Gefühlswelt von Alex Moser, der sich innerlich zunehmend fühlt, als wäre er auf dem falschen Planeten gestrandet.

Das Team von „Nebel im Kopf“ mit Produktionsfotos und Storyboards

Macht betroffen

Genervte Eltern, die sich mehr um schulische Leistungen als um die Gesundheit ihres Kindes sorgen, der Kinderarzt, der eigentlich keine Tabletten verschreiben will, die überforderte Lehrerin, die Alex‘ Mutter die Schuld in die Schuhe schiebt – und die verführerisch flüsternde Ritalintablette selbst, die verspricht, alles wieder gut werden zu lassen. Die Figuren sind durch die Bank überzeugend gesprochen und tragen zur beklemmenden Stimmung der Geschichte bei. Eingebettet ist das Ganze in eine Art Talkshow, in der unter anderem besorgte Experten zu Wort kommen, die vor dem Medikament warnen. Die Nebenwirkungen sind vielfältig: Herz-Kreislauf-Beschwerden, Wachstumsstörungen, Veränderungen der Hirnstruktur, sowie der von Alex selbst immer wieder erwähnte, titelgebende Nebel im Kopf.

Alex‘ Eltern kümmert das nicht. Die Tabletten versprechen den einfachsten Weg, den Jungen wieder auf die rechte Bahn zu bringen und in der Schule ruhigzustellen. So beginnt Alex‘ unheimliche Odyssee durch sechs Jahre Ritalinkonsum und ein stärker werdendes Gefühl, nicht ganz richtig im Kopf zu sein. Auch so mancher Student, der zum Verbessern der Prüfungsleistungen daran denkt, mit Ritalin nachzuhelfen, wird es sich nach diesem Hörspiel hoffentlich zweimal überlegen. Mit „Nebel im Hirn“ gelingt dem Team der Hörspiel-AG der wichtige Schritt, Aufmerksamkeit auf dieses selten beachtete Thema zu lenken. Dabei lässt die hohe Produktionsqualität auch den Unterhaltungswert nicht zu kurz kommen. Anhören!

Ritalinkonsum – Nebel im Hirn in voller Länge

 

Beitragsbild:  Hörspiel AG der FOS/BOS Passau