Das Blut spritzt, die Musik wummert, Menschen schreien vor Schmerz. Solche Bilder werden in der Regel eher mit einen Splatterfilm, als mit einer Aufführung im Passauer Stadttheater in Verbindung gebracht. Doch mit dem Stück „A Clockwork Orange“ hat es der Regisseur Markus Bartl gewagt die Theaterbühne in einen Schauplatz der Grausamkeit zu verwandeln.
Im Mittelpunkt der Geschichte steht Alex (Julian Niedermaier), der gnadenlose Anführer einer vierköpfigen Straßengang. Ihm und seinen „Droogs“ möchte man lieber nicht alleine im Dunkeln begegnen. Die Jungs tyrannisieren, verprügeln oder vergewaltigen Jeden, der ihnen in die Quere kommt. Alex geht es bei seinen Überfällen nicht darum große Beute zu machen. Er möchte seine Opfer leiden sehen. Für die Inszenierung der rohen Gewalt greifen die Darsteller tief in die Trickkiste. Auf der Bühne wird offen mit Kunstblutfläschchen hantiert, das Brechen von kleinen Hölzern imitiert das Geräusch knackender Fingerknochen und Ticktacks symbolisieren herausgebrochene Zähne. Diese Mittel haben eine verfremdende Wirkung und helfen den Zuschauern dabei sich innerlich von der Grausamkeit zu distanzieren. Das haben sie auch bitter nötig, wenn sie die gesamte 210-minütige Vorstellung nervlich überstehen wollen.
Da Alex auch mit seinen Freunden nicht gerade zimperlich umgeht, ist es nicht weiter verwunderlich,
dass sie ihm eines Tages in den Rücken fallen. Um den Gangster loszuwerden, stiften sie ihn zum Mord an einer verrückten Katzenlady an und verraten ihn anschließend an die Polizei. Alex landet im Gefängnis, wo er schon bald das erste Mal von der Ludovico-Technik hört. Diese neuartige Form der Therapie soll Verbrechern die Lust an der Gewalt ein für alle Mal austreiben. Man hofft die Kriminellen daraufhin als gute, pflichtbewusste Bürger wieder in die Freiheit entlassen zu können. Kurzerhand erklärt sich Alex dazu bereit, als Versuchskaninchen am Umerziehungsprogramm teilzunehmen. Die Ärzte verabreichen ihm dubiose Medikamente und setzen ihn einer Reihe brutaler Filme aus. Es dauert nicht lange bis Alex so um konditioniert worden ist, dass er den Anblick von Gewalt oder Sexualität nicht mehr ertragen kann. Allerdings hat die Behandlung auch einen unerwünschten Nebeneffekt: Dem einst musikliebenden Minderjährigen wird nun beim Klang klassischer Musik speiübel. Nach seiner Entlassung ist Alex mit dem Leben in der Gesellschaft überfordert und ganz auf sich alleine gestellt. Seine Eltern wollen nichts mehr von ihm wissen, seine ehemaligen Kumpanen erst recht nicht. Da in der Zeitung über seine Heilung berichtet wird, erlangt er eine gewisse Bekanntheit. So wird Alex schnell zum Spielball der Regierung und der Opposition, die ihn für ihre politischen Zwecke einsetzen wollen.
Die Romanvorlage des Stücks, „A Clockwork Orange“ von Anthony Burgess, stellt eine wichtige ethische Frage: Verliert ein Mensch seine Menschlichkeit, wenn ihm die Entscheidungsfreiheit genommen wird? In der Theaterinszenierung wird diese Frage mehrmals in den Raum geworfen, aber leider nie wirklich ausdiskutiert. Stattdessen taucht in regelmäßigen Abständen ein Erzähler mit einem übergroßen Pappmaché Kopf auf der Bühne auf. Überschwänglich predigt die seltsame Gestalt von der Vaterlandstreue, der Liebe zu den Eltern, sowie den Pflichten und Tugenden eines guten Bürgers. Zwischendurch führt der Erzähler gerne kleine Tanzeinlagen vor. Als Zuschauer fragt man sich spätestens nach dem dritten Auftritt des Erzählers, ob dieser nun als ironischer Gesellschaftskritiker fungieren soll oder ob es nicht doch eher um einen plumpen Versuch handelt, das Publikum irgendwie hinzuhalten, während hinter dem Vorhang die Bühne umgebaut wird oder Kostümwechsel erfolgen.
„A Clockwork Orange“ ist eine Aufführung, die man so schnell nicht vergisst. Im Kopf bleiben nicht nur die grausamen Szenen, sondern auch die brillante Leistung der Schauspieler. Vor Allem die Droogs in ihren unheimlichen Ganzkörperanzügen liefern eine sehr überzeugende Vorstellung ab. Auch die originellen Inszenierungsideen (man denke an die Ticktacks) und eindrückliche Bilder, die auf der Bühne entstehen, bleiben hängen.
Wer neugierig geworden ist, kann sich die Vorstellung am 16.2. um 19:30 im Stadttheater Passau ansehen.