„Sie sprechen aber gut deutsch!“ Sagt wohl kein Deutscher zu einem anderen Deutschen inmitten einer deutschen Stadt – oder? Doch. Nämlich dann, wenn das Gegenüber als „fremd“ identifiziert wird, beispielsweise aufgrund der Hautfarbe. Das sind die harmlosen Bemerkungen. Lorenz Narku Laing ist es aber auch schon passiert, dass er, unterwegs in Friedrichshafen, mitten auf der Straße angespuckt wurde. „Ich bin in Deutschland geboren und habe lange in Friedrichshafen gewohnt“, sagt Laing. „Das war nicht ausländer- oder fremdenfeindlich, sondern rassistisch. Das war Diskriminierung allein aufgrund meiner ethnischen Identität.“
Diese Art von Diskriminierung findet auch auf dem Campus statt. Mahir Türkmen hat daher Anfang des Semesters mit einigen Kommilitonen die Hochschulgruppe „Minorities United“ gegründet. „Die Studierenden werden zwar diverser, aber es fehlt an Struktur, um diese Menschen sichtbar zu machen“, sagt Türkmen. Mittlerweile haben sich rund 50 „People of Color“, wie sie sich selbst bezeichnen, zusammengefunden, um gemeinsam einen „Safe Space“ zu schaffen. Das heißt einen geschützten Raum, in dem sich Menschen mit ähnlichen Erfahrungen austauschen und unterstützen können. Außerdem wollen sie die Repräsentation fördern, indem sie mit Vorträgen und Workshops Aufmerksamkeit erzeugen und für das Thema sensibilisieren.
Diversität bedeutet Chancen für alle
„Das Problem wird von vielen Menschen nicht ernst genug genommen“, sagt Erika Träger, Stellvertretende Bürgermeisterin, in ihrer Ansprache. Dabei sei es entscheidend, sich rechtzeitig zu empören und rassistischen Bemerkungen deutlich entgegenzutreten, „bevor sich niemand mehr dafür schämt“. Denn Abwertungen finden täglich und „mitten unter uns“ statt, sagt Träger. „Alltagsrassismus ist kein Randphänomen.“
Für Jörg Fedtke, Vizepräsident für Qualitätsmanagement und Diversität an der Universität Passau, ist es daher wichtig, die Thematik auf den Campus zu holen: „Für mich bedeutet Universität Antidiskriminierung.“ Denn Diversität bedeutet nicht nur für die Lehre eine Chance. Laut Fedtke geht es darum, in allen Entscheidungen an der Universität um Diversität zu ringen – das umfasst viele Aspekte wie Gleichstellung, Frauenförderung, Inklusion oder auch Familienfreundlichkeit. Sein Ziel ist es, „ein Gefühl von wir“ zu vermitteln. „Je vielfältiger wir sind, desto stärker sind wir.“
Bildung allein reicht nicht
Universitäten haben eine besondere Aufgabe im Kampf gegen Rassismus und Diskriminierung, ergänzt Lorenz Narku Laing. „Aktives Management für Diversität fängt mit einer multiperspektivischen Lehre an.“ Der Geschäftsführer von Vielfaltsprojekte betont die staatliche und moralische Verantwortung, die Universitäten als Behörde und Bildungsinstitution haben. Auch in der Lehre selbst, sollte das Thema mehr in den Fokus rücken. Das umfasst zum einen eine breitere Forschung, beispielsweise, dass in der Politik und Soziologie nicht nur das „typisch Westliche“ als Maßstab genommen wird. Zum anderen bedeutet das auch eine kritische Auseinandersetzung mit großen Denkern und Theoretikern.
Als Laing seiner damaligen Professorin erzählt, sein Lieblingsphilosoph sei Immanuel Kant, erwiderte sie: „Sie mögen Kant, aber Kant mag sie nicht.“ Denn dunkelhäutige Menschen zählte Kant nicht zu den vernunftbegabten und freien Menschen. Der Auftrag von Universitäten sei daher, aufzuklären und zu diskutieren. „Menschen können gebildet werden, ohne ihren Rassismus abzulegen“, sagt Laing und verweist auf einige promovierte AFD-Mitglieder, die sich öffentlich rassistisch geäußert haben.
Nicht nur empören, sondern auch beschweren
In der anschließenden Podiumsdiskussion waren sich die Teilnehmenden einig: Es geht nicht nur um gegenseitige Unterstützung der Betroffenen, sondern auch um Solidarität. Jeder Einzelne trägt Verantwortung für ein gutes Miteinander. Wenn aber doch Diskriminierungen auftreten, sollten diese unbedingt gemeldet werden – ganz gleich, ob bei der Gleichstellungsbeauftragten Claudia Krell, dem Vizepräsidenten Jörg Fedtke, der stellvertretenden Frauenbeauftragten Elena Dück oder einer anderen Vertrauensperson. Krell betont: „Bringt den Mut auf, uns über Probleme zu berichten. Wenn Beschwerden vorliegen, können wir viel effektiver dagegen vorgehen.“