Politische Korrektheit ist viel diskutiert: als kleinkariert, als Einschnitt in die Meinungsfreiheit, aber auch als dringend notwendig und längst überfällig. Was hat es also damit auf sich und ist es vielleicht wirklich an der Zeit, unsere Sprache zu überdenken?
„Wir wollen einfach aufstehen, Müsli essen, Kaffee trinken, und unseren Shit machen – und dann fährst du an einer Mohren-Apotheke vorbei. Und mein Tag ist dann ein anderer Tag.“
David Mayonga, deutscher Rapper und Radiomoderator, auch bekannt als Roger Rekless, erzählt aus seinem Alltag. Der 37-Jährige kommt aus München, sein Vater aus dem Kongo. An seinem ersten Tag im Kindergarten wird er von einem Gleichaltrigen als „Neger“ beschimpft. Das ist sein erstes Erlebnis mit Rassismus, viele weitere folgen.
„Ein Neger darf nicht neben mir sitzen.“
Davids Buch „Ein Neger darf nicht neben mir sitzen – Eine deutsche Geschichte“ beschreibt, wie sich Rassismus für ihn anfühlt und was man tun kann, um dem entgegen zu gehen. Dabei erzählt er aus seiner Kindheit, über den früheren Wunsch, eine andere Hautfarbe zu haben und von fehlender Chancengleichheit für Menschen mit Migrationshintergrund. Das Entscheidende hierbei ist: Diskriminierung fängt vermeintlich harmlos an. Meistens mit der Sprache – wie etwa dem Namen der Mohren-Apotheken.
Diese Mohren-Apotheken sind umstritten. Denn zum einen leitet sich der Begriff Mohr zwar historisch von den Mauren ab, die damals führend im Bereich der Medizin waren. Zum anderen „gibt [es] auch die Mohren in der Kolonialzeit, die als Sklaven gehalten wurden“, erklärt die Initiative der Liste „Afrikanische Stimme. Die Bezeichnung „Mohr“ werde laut der Initiative oft gebraucht, ohne dass dem Verwender die historische Bedeutung bewusst sei. „Allerdings werden Stereotypen damit gedankenlos weiterverbreitet“.
Eine Namensänderung der Apotheken ginge allerdings für viele Besitzer nicht nur mit einer großen finanziellen Belastung einher, sondern auch mit dem Verlust von Tradition – viele der Mohren-Apotheken sind teilweise seit mehreren hundert Jahren im Familienbesitz. Diskussionen um Namensänderungen entstehen aber nicht nur bei Apotheken, sondern auch bei Straßen wie der Mohrenstraße (zu finden in Berlin, Köln, Wuppertal und Bonn) oder bei Stadtwappen mit möglicherweise rassistischen Abbildungen.
Ist das schon Zensur?
Das Stichwort all dieser Diskussionen lautet „Politische Korrektheit“ oder auf englisch „Political Correctness“, kurz „PC“ . Gemeint ist damit die sorgfältige Achtsamkeit auf eine Sprache, die nicht diskriminiert. Und Politische Korrektheit setzt eben schon im Kleinen an – sei es beim Apotheken-Namen oder dem alltäglichen Sprachgebrauch.
Angefangen hat diese Bewegung in den 1980er Jahren in den USA durch Kalifornische Studenten, die forderten, dass nicht nur Lehrbücher toter, weißer, europäischer Männer verwendet werden sollten, sondern auch zeitgenössische Werke und die von weiblichen Autoren. Schnell fand dies auch außerhalb von Universitäten Zustimmung und zahlreiche Unterstützer. (Bayerischer Rundfunk)
In den USA wird der Ausdruck jedoch auch gerne von politisch Rechten und Konservativen aufgegriffen, die politisch korrekte Sprache als Zensur und Einschränkung der Redefreiheit zurückweisen. Auch als sich die „Political Correctness“ dann in den 1990ern in Deutschland einbürgerte, stieß dies auf gemischte Gefühle. Vor allem rechtspopulistische und konservative Politiker ironisieren den Begriff, benutzen ihn für ihre Zwecke und verwenden ihn heute geradezu als Waffe gegen Antirassismus-Bewegungen. Sie ziehen den Ausdruck ins Lächerliche.
Der Terminus steht im Kreuzfeuer der Kritik. Political Correctness – das klingt im mildesten Fall nach Spießertum, im weniger milden nach feiger Anpassung und im schlimmsten nach Tyrannei, so die Zeit. Dabei geht es nicht darum Meinungen zu verbieten. Es geht darum, Minderheiten (verbal) zu schützen und Diskriminierung zu reduzieren.
Political Correctness ist umständlich, eine Verhunzung der Sprache.
Ist da was dran? Nun, zu Politischer Korrektheit gehört unter anderem eine geschlechtsneutrale Sprache, statt dem generischem Maskulinum („Bürger“) werden also das Gendersternchen oder die Gendergap verwendet. („Bürger*innen“ und „Bürger_innen“).
Teilweise werden ganze Volks- und Berfsgruppen umbenannt: Ausländer sind Menschen mit Migrationshintergrund und statt Zigeuner heißt es nun Sinti und Roma. Bei dem vermeintlich harmlosen Wort Putzfrau sollte man besser die Bezeichnung Raumpflegerin verwenden und der Toilettenmann ist aufgestiegen zum facility manager.
Der eingebürgerte Sprachgebrauch muss also neu gedacht werden und zugegeben – auf den ersten Blick mag das etwas komplizierter erscheinen. Die entscheidende Frage ist daher, ob es diesen Aufwand wert ist und ob diese Umstellung denn überhaupt etwas bewirken kann.
Warum politisch korrekt, wenn es auch bequem geht?
Gerade in einer liberalen Demokratie wie Deutschland wird Anhängern vorgeworfen, „PC “ verstoße gegen die individuell Meinung des Einzelnen, die jedoch Privatsache sei. Jeder habe das Recht auf seine eigene moralische Haltung und eben auch das Ausleben dieser.
Und sind wir ehrlich: Selbst jemand, der sich in öffentlicher Gesellschaft der „politisch korrekten“ Sprache bedient und den höflichen Umgang zu pflegen scheint, wird sich im privaten Kreis nicht unbedingt daran gehindert sehen, selbige Gepflogenheiten wieder abzulegen. Sechs von zehn Deutschen trauen sich nur unter Freunden, über heikle Themen „unkorrekt“ zu reden, so eine Allensbach-Umfrage der FAZ. So werden in lockerer Atmosphäre Begriffe wie „Flüchtling“, „Ausländer“ und „Behinderter“ also dennoch frohen Mutes in die Runde geworfen. Was hat das mit wirklicher Akzeptanz zu tun?
Was bringt uns eine „korrekte“ Sprache, wenn dabei die soziale Wirklichkeit nicht verändert wird? Allein durch die Schöpfung neuer Begriffe und vehementer Sprachpolitk werden die Ursachen von Rassismus und Sexismus sicherlich nicht beseitigt. – Oder?
Sprache bringt Wandel
Ich sage: Doch. Denn gesellschaftliche Veränderungen spiegeln sich in der Sprache wider. Und andersrum kann Sprache auch gesellschaftliche Veränderungen bewirken.
Schließlich ist ein Sprachwandel kein Phänomen, das urplötzlich vom Himmel gefallen ist. Würde heute jemand eine Frau mit „Mein Weib“ ansprechen, stieße das mit hoher Wahrscheinlichkeit auf Empörung. Vor hundert Jahren hat dabei jedoch keiner eine Miene verzogen. Jetzt ist das fraglos frauenfeindlich, herabsetzend. Wer also sagt, dass wir in 50 Jahren beispielsweise das generische Maskulinum nicht komplett aus unserem Wortschatz gestrichen haben? Und hinzu noch mit einer Selbstverständlichkeit, wie wir auch das Wort „Neger“ nicht mehr verwenden?
Politische Korrektheit soll nichts mit einem Sprachverbot zu tun haben, sondern guten Umgang sichern. Dabei dürfen wir nicht schwarz-weiß denken: Nicht jeder PC-Kritiker ist frauenfeindlich, rassistisch und homophob. Genauso wenig ist einer, nur weil er sich der „politisch korrekten“ Sprache bedient, ein heldenhafter Aktivist für die Gleichberechtigung in der Gesellschaft. Es geht vielmehr um Rücksichtnahme. Und wer sich um die Verwendung richtiger Begriffe bemüht, der zeigt Einsatz dafür, dass sich etwas verändert.
Vehemente Sprachreglementierungen und penibles Versteifen auf jede Silbe führen dabei nicht zum Ziel, sonst droht Gefahr, dass sich die politische sprachliche Korrektheit selber lächerlich macht. Aber wir müssen uns an dem orientieren, was das eigentliche Maß aller Dinge ist: Respekt. Für ein angenehmes Miteinander.
Von Diskriminierung Betroffene reagieren meist sensibler darauf, wie sie bezeichnet werden als andere. Diejenigen, die ‚Political Correctness‘ zumeist als umständlich und überflüssig empfinden, sind in der Mehrheit der Fälle nicht die Leidtragenden, sondern die Verursacher von sozialer Ungerechtigkeit, wenn sie keine korrekten Begriffe verwenden.
Eine Silbe mehr oder weniger: Es geht um Gerechtigkeit
Und was dabei jedem Apologeten der PC-Kritik bewusst sein sollte: Es geht nicht darum, Sprache weniger verständlicher zu machen, sondern sie gerechter zu machen. Denn Politische Korrektheit berücksichtigt die Würde Einzelner als auch von Gruppen. Und die soziale Gerechtigkeit sollte da im Vordergrund stehen, nicht die „Umständlichkeit“, welche viele Kritiker als Hauptargument anbringen.
Diese These vertritt auch die Bundeszentrale für politische Bildung:
„Über den Sprachwandel soll ein Bewusstseinswandel und idealerweise auch eine kulturelle Veränderung weg von der kritisierten Diskriminierung erreicht werden“.
Ich bin der Meinung: Im Zweifelsfall ist es immer besser, einer Person zu viel Respekt entgegen zu bringen, als zu wenig. Denn so etwas wie zu viel Höflichkeit, zu viel Empathie, das gibt es nicht. Zu wenig allerdings, das führt zu Ausgrenzung und Benachteiligung.
„Wenn Sprache trennt [oder] ausschließt, dann ist das ein Problem für unsere Demokratie. Und das beginnt vielleicht schon im Kleinen.“ (Political Correctness, ARD-alpha)
Illustration: Lisa Miethke