Das Genre des Endzeitfilms hat Konjunktur. Ein kurzer Blick in die Programmspalten von Kinos und Streamingdiensten genügt, und man ist sich sicher: der Konsument von heute hat ein Verlangen nach dem Untergang der Zivilisation, er scheint das Ende aller Normen regelrecht herbeizusehnen. Auf den Kinoleinwänden der Welt geht diese regelmäßig unter, wird von Aliens belagert, von Zombies heimgesucht oder durch Atomkriege unbewohnbar gemacht. Nicht mal mehr vor den Arcade-Videospielhelden der 80er Jahre sind wir noch sicher („Pixels“).
Der neueste Vertreter dieses Genres trägt den Titel „A Quiet Place“ und ist seit vergangenem Wochenende in den Kinos zu sehen. In diesem Film des Regisseurs John Krasinski, der auch die männliche Hauptrolle neben seiner Ehefrau Emily Blunt übernimmt, befindet sich die Menschheit im permanenten Belagerungszustand durch seltsame Wesen, deren Herkunft uns nie erklärt wird. Diese – wohlmöglich außerirdischen – Kreaturen, optisch irgendwo zwischen Demogorgon („Stranger Things“),„Alien“ (Ridley Scott) und Quetzalcoatlus (prähistorischer Flugsaurier) angesiedelt, sind zwar blind und vermutlich auch ohne Geruchssinn, dafür aber mit einem so phantastischen Gehör ausgestattet, dass jedes kleinste Geräusch zur Entdeckung und damit zum sofortigen Tod führen kann.
Für die erste Hälfte des Films, während der die Monster eine Farm terrorisieren, auf der die Hauptfiguren Zuflucht gefunden haben, bekommen wir die Wesenheiten nie gänzlich zu sehen. Dieser eigentlich aus dem Horrorkino altbekannte Kunstgriff bezeugt ein weiteres Mal, wie facettenreich das Genre geworden ist, und diese Flexibilität ist wohl auch der Grund für dessen anhaltende Beliebtheit. Während Familienvater Lee (Krasinski) zusammen mit Ehefrau Evelyn (Blunt) und den Kindern Marcus und Reagan auf der gemeinsamen Farm zusätzlich zum nackten Überleben auch noch einen Rest von familiärer Normalität zu improvisieren versuchen, entspannt sich vor dem Hintergrund der Apokalypse ein Szenario, das Horror- und Splatterfilmen entspricht. Nach einem weitgehend ruhigen Einstieg wird die Spannungsschraube plötzlich angezogen, und bald wird deutlich, dass hier keine versteckte Gesellschaftskritik geübt oder in menschliche Abgründe geblickt, sondern hauptsächlich eine spannende Geschichte erzählt werden soll. Das Ergebnis ist dabei teilweise ambivalent: eingeflochten in die Handlung wird ein Vater-Tochter-Konflikt, und überhaupt spielt der in jeder Hinsicht bedrohte familiäre Zusammenhalt vor der Katastrophe eine zentrale Rolle in diesem Film. Das Wort „Familiendrama“ liegt hier auf der Zunge, doch so isoliert betrachtet ist die Handlung für ein solches letztendlich viel zu flach und vorhersehbar. Vor allem geübtere Cineasten können die später wichtigen Handlungsmomente, die möglichst beiläufig über die Bühne gehen, recht einfach identifizieren. Der Film aber übersteht das weitgehend unbeschadet, und das ist Regisseur Krasinski zu verdanken. Als Schauplatz hat er ein in goldenes Licht getauchtes Neuengland gewählt, und den Schmerz über den Verlust dieser Idylle können wir jeden Moment nachfühlen, genau wie die anrührende Verzweiflung der Familie, sich nur in Zeichensprache verständigen zu dürfen. Dazu kommt eine bewundernswerte Detailverliebtheit – Monopolyfiguren aus Stoff, ein Warnsystem roter Lämpchen und Silvesterraketen als Störquelle – sodass wir bald derart in den Sog des Films eintauchen, dass wir beim Anblick von Evelnys Babybauch sofort alarmiert sind und auch sonst auf das kleinste Rascheln, das leiseste Wispern horchen.
Bemerkenswert ist, dass die Köpfe hinter dem Film keinerlei Interesse hatten, die Handlung des Films auf eine weitere, „globalere“ Ebene zu überführen, denn wie etwa in „Melancholia“ (2009) wird die Kulisse eines (drohenden) Weltuntergangs lediglich als Folie benutzt, um eine geschlossene Einzelgeschichte zu erzählen. Die Detailverliebtheit der Macher im Produktions- und Sounddesign steht im Kontrast zur Kargheit auf Ebene der Erzählung. Und so bleibt der Film immer das, was er ist: ein handwerklich hervorragender B-Movie. Aber ist das schlecht? Keineswegs, denn mehr will er auch nie sein. Auf gewisse Art und Weise ist es sogar äußerst zufriedenstellend, mal wieder einen Film zu sehen, der seine Grenzen sehr genau absteckt und den Zuschauer nicht mit überkonstruierten Plots und pseudotiefgründigen Charakterwucherungen nervt. „A Quiet Place“ ist ein Film, den man so genießen darf, wie er ist. Und das Beste ist: wenn es angebracht ist, darf im Kinosaal nach Herzenslust geschrien werden. Davon geht die Welt nicht unter.