Kaum ein Regisseur hat das verwirrende Kino so für sich beansprucht wie Christopher Nolan. Mit Filmen wie Memento, Inception und Interstellar hat er es jedes Mal geschafft, seine Zuschauer an ihre kognitiven Höchstleistungen zu bringen und mit seinem neusten Film Tenet ist ihm das wieder geglückt. Doch hängt dieser, trotz genialer und einzigartiger Idee, den anderen Filmen weit hinterher.
Tenet erzählt die Geschichte von einem CIA-Agenten, der den mysteriösen Auftrag bekommt, den dritten Weltkrieg zu verhindern. Dabei erhält er das Wissen über eine neue Technologie, die ihm ermöglicht, die Zeit zu verändern. Mehr soll zur Handlung erstmal nicht verraten werden.
Man kann Nolans neustem Film viel vorwerfen, Mängel in der Produktion allerdings nicht. Selbst der Abgang von Hans Zimmer, der durch Ludwig Göransson ersetzt wurde, schmerzt nicht so sehr, wie Anfangs vermutet. Ganz im Gegenteil: Göransson, der zuletzt einen Oscar für den Soundtrack von Black Panther bekam, schafft es, elektrisierende und brachiale Musik zu komponieren, die einen beim Schauen in den Bann zieht. Die Kämpfe, die Stunts, die Action; alles ist atemberaubend. Und da Nolan behauptet, der Film habe nicht mehr Spezial Effekte als eine gewöhnliche Rom-Com, bleibt das größte Rätsel am Ende die Frage, wie die Szenen gedreht wurden. Was Nolan hier auf die Leinwand bringt ist wirklich einzigartig. Und auch die Idee des Zeitumkehrens ist fantastisch und perfekt umgesetzt. Diese Form von Genialität ist in aktuellen Blockbustern nie erreicht worden.
Doch trotz der ganzen Genialität in der Produktion weist Tenet ganz klare Probleme auf. So gut die Idee der Zeitmanipulation auch ist, so dürftig ist sie an manchen Stellen erklärt, sodass man teilweise nur schwer versteht, wie es funktioniert und was die genauen Regeln sind. Aussagen der Figuren wie „Du musst es nicht verstehen, sondern fühlen.“, wirken dadurch eher wie eine Ausrede, nicht weiter auf die Mechanik des Zeitumkehrens eingehen zu müssen. Dadurch bleiben viele Zuschauer wahrscheinlich auf der Strecke. Der Schnitt des Films ist dabei nicht förderlich. Dem Film fehlen teilweise die Übergänge zwischen einzelnen Szenen, sodass man als Zuschauer orientierungslos im Kino sitzt und nicht weiß, was, wie und wo es passiert. Erst hinterher bekommt man gesagt was man verpasst hat. Ein weiteres großes Problem sind die Figuren. Denn während er es in seinen anderen Filmen meistens immer geschafft hat, dass man als Zuschauer mit den Figuren mitfiebert, ist das in Tenet leider nicht der Fall. Sie wirken teilweise sehr eindimensional, blass und werden einem schnell gleichgültig. Wie heißt der Protagonist? Hat er überhaupt einen Namen? Nein? Ist ja eigentlich auch egal. Einzig bei der Figur des Neil ist das nicht so, was am Schauspiel von Robert Pattinson liegen mag, der die Rolle mit einer Coolness und Leichtigkeit spielt, die den anderen Schauspielern an manchen Stellen fehlt.
Es wirkt als sei Nolan im Kampf mit sich selbst, immer komplexere und einzigartigere Storys zu entwickeln, die seine Zuschauer an ihre Grenzen bringen. Vielleicht war Tenet an manchen Stellen zu gewollt kompliziert und auf die Genialität der Idee des Zeitumkehrens gestützt, dass andere Teile, die für einen perfekten Film notwendig sind, stellenweise vernachlässigt wurden. Eines muss gesagt werden. Tenet ist nicht komplex, sondern einfach kompliziert. Deshalb fehlt dem Film auch eine Vielschichtigkeit, die ein vielfaches Ansehen rechtfertigen und ihn auf Dauer nicht langweilig werden lassen würde; eine Vielschichtigkeit, die Inception beispielsweise besitzt. Wenn man es geschafft hat den komplizierten Knoten von Tenet zu lösen, erscheint der Film recht simpel. Tenet fehlt das, was die anderen Filme von Christopher Nolan so gut gemacht hat.
Wie gut Tenet letztendlich ist, kann nur die Zeit sagen. Inception wurde auch erst über die Jahre zu einem Klassiker und so gefeiert, wie er es heute ist. Was Nolans neuem Film aber zweifellos glückt, ist das Kino, nach der viel zu langen Corona-Pause, mit einer brachialen Wucht zurück zu bringen. Allein dafür lohnt es sich schon, Tenet anzuschauen. Er ist zweifellos ein guter Film, doch bleibt weit abgeschlagen hinter den anderen Werken Nolans. Es bleibt also abzuwarten, ob Tenet es wie Inception schafft, über die Zeit zum Klassiker zu werden.
In der neusten Folge des Blank Podcasts „Zieh Blank“ wird Tenet ausgiebig besprochen. Wer keine Angst vor Spoilern hat, darf sehr gerne reinhören!