Wie Poetry-Slam Menschen berührt, ihnen hilft, ihre Gedanken zu verarbeiten und warum vielleicht auch du mit dem Schreiben anfangen solltest
„Berühren? Manchmal bin ich kurz davor ein Tränchen zu lassen!“, so eine Besucherin über die vom Kulturtransport organisierte Poetry-Slam Veranstaltung letzten Donnerstag, den 14. November. Berührt wurden jedenfalls alle, als die sieben teilnehmenden Poet*innen nacheinander ihre Texte präsentieren. Trotz des kalten Wetters: Mit Heizpilzen, Lagerfeuer, einem Glühweinstand – und natürlich Poesie – wurde für eine wohlige Stimmung gesorgt.
Ab 18:00 Uhr trudeln die ersten Zuhörer*innen ein, ab 18:30 Uhr beginnt Fiona, die Organisatorin, mit einer Einführung. Das Konzept: Die Zuhörer*innen entscheiden, welches Gedicht ihnen am besten gefällt. Jede*r Poet*in trägt zunächst ein Text vor, woraufhin einige zuvor ausgewählte Zuschauer*innen ein Plakat mit einer für sie passenden Bewertungszahl von 1 bis 10 hochhalten. Fiona beginnt mit einem Einstiegstext über Alltagsstress, der einen nie zu verlassen scheint und erntet bereits kräftigen Applaus. Anschließend fangen die eigentlichen Kandidat*innen an, querbeet, mit Texten über den Konsum von Drogen, Zukunftsängste, Feminismus, Toxische Beziehungen oder Depression und Verliebtsein. Sie nähern sich dem Mikro, anfangs teilweise etwas nervös und tragen dann ihre Ideen, fast wie persönliche Tagebucheinträge, fremden Menschen vor. “Bei Poetry- Slams kann man wirklich durch die Menschen hindurchschauen, ins tiefste Innere. Man lernt sie in 6 Minuten einfach so kennen, wie sie wirklich sind.“, findet auch Kim, die schon mehrfach Poetry-Slam-Veranstaltungen besucht hat. Auch wenn jeder Text anders geschrieben ist und andere Themen in den Fokus nimmt, so haben sie wohl alle die Verarbeitung von Erlebtem und Emotionen gemeinsam. Von etwas, das anders vielleicht nicht ausgedrückt werden kann. Sophia berichtete in ihrem Slam über den Abschluss einer Beziehung und findet, dass „Kunst eine der reinsten Formen sei, Gefühle von Menschen auf Papier und zum Ausdruck zu bringen“.
Nachdem in einer kurzen Pause die jeweiligen Punktzahlen zusammengerechnet werden, findet das Finale statt, in welchem die drei Favoriten aus der vorherigen Runde ein weiteres Werk vortragen dürfen. Diesmal sollen alle Zuschauer durch die Intensität ihres Applauses über den besten Poetry-Slam entscheiden. Lara hat ein Gedicht über das kleine Wort „Wenn“ geschrieben, was sie oft davon abhält, mit dem zufrieden zu sein, was gerade ist.
Politischer wird es bei Lenas Slam, in dem sie ihrer Unzufriedenheit mit der Politik Raum gibt und einen für sie „typischen Demo-Sonntag“ beschreibt. Auch Strich äußert Kritik am System, wie zum Beispiel an zu hohen Mietpreisen.
Jeder Text hat das Publikum begeistert, bei Lena scheint der Applaus jedoch etwas länger als bei den anderen anzuhalten und sie gewinnt daher den ersten Platz. Mit Poetry-Slam hat sie bereits länger Erfahrung und stand sogar im bayerischen Finale auf der Bühne. Angefangen hat sie als ein Freund ihr vorschlug: „Du schreibst doch auch Texte, warum probierst du es nicht mal mit Poetry Slam!“. Am schönsten findet sie es jetzt, die Texte der anderen zu hören und die Gemeinschaft auf der Bühne erleben zu dürfen. Mit ihren oftmals politischen Texten verarbeitet sie den Frust, der sich während ihres immer noch andauernden politischen Engagements, entwickelt hat.
Sicher ist also, dass man selbst geschriebene Texte nutzen kann, um etwas, das einen beschäftigt, zu verarbeiten. Chris, ein weiterer Teilnehmer, kann dies trotz anfänglicher Abneigungen gegenüber des Poetry Slams bestätigen: „Früher war ich überheblich und habe gesagt ich finde es superlächerlich, wenn man den 100. Text über Liebe und Herzschmerz schreibt, das war, bevor mein Herz gebrochen wurde, jetzt schreibe ich über Liebe und Herzschmerz.“ Man kann wohl nur jedem raten einen Stift zu nehmen und drauf los zuschreiben, und wer weiß, vielleicht werden Menschen auch bald von deinen Texten berührt.