Das Bewusstsein für unsere Umwelt und der Wille etwas zu verändern wird immer stärker. Ein großer Teil, gerade in der jungen Bevölkerung, achtet auf Umverpackungen und Plastikmüll, viele leben vegetarisch oder sogar vegan, Autofahrten werden reduziert und auf Nachhaltigkeit zu achten wird immer mehr zum Trend. Da dürfte die persönliche Ökobilanz doch eigentlich gar nicht so miserabel sein, oder?
Ein wichtiger Faktor, den jedoch der Großteil der Bevölkerung vergisst oder gekonnt ausblendet, ist die Textilbranche. Die meisten Menschen kaufen Kleidung weiterhin bei den Marktführern der Modeindustrie wie H&M, Zara und Co. Der Schritt in diese Richtung des nachhaltigen Lebensstils fällt vielen mit Abstand am schwersten, denn auf eine gewisse Art und Weise ist unser Kleidungsstil ja ein fundamentaler Teil von uns, unserer Kommunikation und der Wirkung auf andere.
Die Dokumentation „The True Cost“ von Andrew Morgan auf Netflix jedoch öffnet die Augen und schärft das Bewusstsein für das Thema Fair Fashion sowie für die Missstände, die unseren Klamottenkonsumrausch erst möglich machen. „The True Cost“ wurde 2015 veröffentlicht und beleuchtet die Abgründe hinter der schillernden Kulisse der Modeindustrie. Denn den Preis, dass die Mode seit Jahrzehnten immer billiger werden kann, bezahlen die Menschen, die die Kleidung produzieren. Gefilmt wurde die Dokumentation in Ländern auf der ganzen Welt, im Scheinwerferlicht der Catwalks und in den ärmsten Slums.
Betrachtet man den Richtpreis eines Bekleidungsartikels über die letzten 20 Jahre fällt auf, dass es eine Deflation des Produktpreises gibt, also der Preis über die Zeit gesunken ist. Die erste Assoziation, die hierbei mit aufkommt, ist, dass die Produktionskosten somit auch gesunken sein müssen. Diese sind jedoch nicht niedriger geworden, sondern gestiegen. Je mehr Produkte ausgelagert wurden, desto billiger sind die Preise der Kleidungsstücke geworden. Dabei entstand ein neues Modell, bekannt als „Fast Fashion“ oder auf Deutsch: Kurzlebige Mode. Über Nacht veränderte dieses Modell die Art, wie Kleidung verkauft und gekauft wird. Denn anstatt zwei Saisons werden 52 Saisons produziert, sodass jede Woche etwas Neues in die Läden kommen kann und möglichst viel Umsatz erwirtschaftet wird.
Nicht nur die Art des Handels hat sich durch dieses Modell verändert, sondern vor allem die Art der Herstellung. Doch wo endet das Ganze und was bedeutet eigentlich globalisierte Produktion? Es ist ein Prinzip, bei dem die gesamte Herstellung der Güter in Niedrigkostenländer ausgelagert wird, in denen die Löhne der Arbeiter sehr sehr niedrig sind. Aus amerikanischer Perspektive wird 97 Prozent der Kleidung in Entwicklungsländern hergestellt und somit nur drei Prozent in Amerika selbst. Für die Textilindustrie arbeiten rund 40 Millionen Fabrikarbeiter weltweit. Von dieser Zahl arbeiten alleine vier Millionen in Bangladesch in fast 5.000 Fabriken. Der Großteil dieser Arbeiter – ganze 85 Prozent – sind Frauen, wobei ihr Mindestlohn weniger als drei Dollar am Tag beträgt und oft auch Kinder in den Fabriken arbeiten. Die Arbeitsbedingungen sind miserabel, denn in den Gebäuden ist es extrem heiß und Chemikalien liegen in der Luft, die besonders für Kinder sehr gefährlich sein können. Die Dokumentation beleuchtet sehr stark die Missstände in Dhaka, der Hauptstadt Bangladeschs. Dort wird an allen Ecken und Enden gespart sowie Sicherheitsvorkehrungen missachtet. Bedauerlicherweise wurde dies zur Norm des Geschäftemachens.
Ein Unglück, welches die Welt erschütterte, geschah am frühen Morgen im April 2013. Ein Vorfall außerhalb von Dhaka zeigte die versteckte Seite der schillernden Modewelt. Bei dem sogenannten „Rhana-Plaza-Unglück“ stürzte ein achtstöckiges Gebäude ein und verschüttete dabei alle sich in dem Gebäude befindenden Fabrikarbeiter. Unfassbare 931 Menschen kamen bei diesem Unglück ums Leben. Besonders fatal ist, dass der schlechte Zustand des Gebäudes den Managern bekannt war, da Mitarbeiter die Fabrikbesitzer über die Risse im Gebäude aufmerksam gemacht hatten. Hinzukommt, dass Rhana-Plaza nicht das einzige Unglück in Bangladesch in diesem Jahr blieb. Es ist allerdings nicht nur die fehlende Sicherheit und die gesundheitsschädlichen Chemikalien, die die Arbeitsbedingungen in den Fabriken so katastrophal machen. Während die Modeindustrie einen jährlichen Umsatz von drei Billionen Dollar macht, verdient ein Fabrikarbeiter/eine Fabrikarbeiterin gerade mal drei Dollar am Tag. Gerechtfertigt werden diese Arbeitsbedingungen oft mit dem Argument, die Arbeiter hätten sich ihre Jobs selbst ausgesucht. Beachtet wird bei dieser Argumentation jedoch nicht, wie dringend die Menschen auf Arbeit angewiesen sind.
Fast Fashion wirkt sich nicht nur negativ auf die Herstellung aus, sondern ist auch eine dramatische Belastung für unsere Umwelt. Im Durchschnitt kaufen wir Deutschen pro Person 60 neue Kleidungsstücke im Jahr, das ist mehr als ein Teil pro Woche. 35 Prozent des weltweiten Mikroplastik Mülls stammt aus unseren Kleidern und über 70 Prozent unserer Kleidung besteht aus billigen Synthetikfasern. Bei jedem Waschgang verliert unsere Kleidung hunderttausende von synthetischen Mikrofasern mit einer Länge von weniger als fünf Millimetern, welche zu klein sind, um von der Waschmaschine gefiltert zu werden. Aus der Waschmaschine gelangt ein Großteil dieser giftigen Partikel dann über die Kanalisation ins Meer, wird von den Meeresbewohnern aufgenommen und gelangt in die Nahrungskette. Auch in unsere! Vor allem Outdoor-Bekleidung ist schadstoffbelastet, d.h. sie dünsten giftige Chemikalien aus. Greenpeace hat beim Test von Textilien per- und poly- fluorierte Chemikalien gefunden. Diese Substanzen gelangen in die Nahrung, das Grundwasser und die Luft und gefährden so die Gesundheit der Menschen und die Umwelt, so Greenpeace. Die allseits angepriesene Baumwolle ist allerdings auch nicht unbedenklich. Baumwolle wird vor und nach der Ernte mit giftigen Stoffen behandelt, wie z.B. Chloride als Bleichmittel und Weichmacher, die wiederum mit jedem Waschgang die Umwelt belasten. Um ein Kilo Baumwolle herzustellen werden rund 15.000 Liter Wasser benötigt. Auf ein T-Shirt gerechnet macht das 22.500 Liter Wasser, hinzu kommt ein Kilo umweltschädlicher Chemikalien, die für die Herstellung benötigt werden und acht bis neun Kilo C02 für die Produktion und Wäsche eines T-Shirts. Das Färben von Textilien verunreinigt Flüsse und Seen. Greenpeace hat immer wieder giftige Substanzen in Gewässern festgestellt. Besonders alarmierend ist dabei die Situation in China, wo 320 Millionen Menschen keinen Zugang mehr zu sauberem Trinkwasser haben.
Es gibt bereits Maßnahmen, um Transparenz zu schaffen. In Kalifornien wird synthetische Kleidung bald mit einem sichtbaren Label versehen, das auf den Anteil an Mikroplastik hinweist und je nachdem dazu rät mit der Hand zu waschen. Bundesstaaten wie New York wollen diesem Ansatz folgen. Auch Modefirmen fangen an ihre Produktionslinien zu verbessern, wie auch italienische Organisationen, die versuchen, den Verbraucher durch Kampagnen zu sensibilisieren.
Doch was können wir tun? Grundsätzlich gilt: Fast Fashion ist Bad Fashion. Wir sollten bewusster einkaufen und Kleidungsstücke mehrmals und über einen langen Zeitraum tragen. Beim Einkauf auf natürliche Stoffe zurück greifen und darauf achten wie viel Synthetik in unserer Kleidung steckt. Der beste Weg nachhaltig einzukaufen ist Vintage oder bei Fair Fashion Labels zu shoppen.
Hier ein paar Empfehlungen:
Fair Fashion Label Empfehlungen:
- People Tree: arbeitet seit über 20 Jahren mit Fair Trade Handwerkern und Bauern in Entwicklungsländern zusammen. Ihre Mode ist schlicht mit einigen verspielten Prints.
- ARMEDANGELS: ist eines der bekanntesten Fair Fashion Labels und wurde in Köln gegründet. Besonders wird auf nachhaltige Materialien und faire Produktionsbedingungen geachtet. Dabei macht das Label bewusst nicht jeden Trend mit um ein Zeichen gegen Fast Fashion zu setzen.
- Jan’n June: wurde von zwei Hamburgerinnen gegründet, die nachhaltige Mode vor allem aus der „Öko-Ecke“ holen wollen. Ihre Mode zeichnet sich aus durch fließende Stoffe, ein minimaoistisches Design und ein Hauch Verspieltheit.
- Dedicated: nachhaltige Streetwear aus Köln. Auffällig durch knallige Farben, wilde Grafiken oder Prints von alten Filmklassikern.
- Everlane: perfekt, wenn ihr eine gut sitzende nachhaltige Jeans sucht. Aber auch Kleider, Shirts, Schuhe, Taschen und Jacken werden von dem Label produziert.
- MELAWEAR: dieses Label ist vor allem etwas günstiger als andere Fair Fashion Labels
- Wiederbelebt: ein Stuttgarter Label, das industrielle Überschussware und Restbestände von Textilunternehmen nimmt und daraus neue Kleidung macht. Ihre Kollektionen sind streng limitiert und jedes Kleidungsstück gibt es lediglich 50 Mal. Durch dieses Prinzip möchte das Unternehmen die Wertigkeit von Kleidung wiederherstellen.
- Patagonia: das Unternehmen spendet einen festen Betrag seines Gewinns an Umweltorganisationen und ruft immer wieder dazu auf, nur das zu kaufen, was man auch wirklich braucht.
Vintage Stores und Flohmärkte:
- Vintage Revivals in Frankfurt und Berlin
- Farbenfabrikflohmarkt in Frankfurt (ca. alle Viertel Jahre, so etwas in der Art gibt es mit Sicherheit in jeder Großstadt, einfach mal bei Facebook für die jeweilige Stadt eingeben)
- O.F.T. Vintage Store in Berlin
- Alles mit Pick n Weight Prinzip (auch in jeder Großstadt)
- Flohmärkte: z.B. der TuNichtGut Nachtflohmarkt in Passau, aber auch Antikflohmärkte (besonders toll für Schmuck)
- Cat with a Hat in München (für Vintage Uhren und Accessoires)
- Burggasse 24 in Wien
- Broke in Düsseldorf
- Vintage & Rags in Köln
Mein Fazit: Ist es nicht paradox, dass wir so viel ändern oder zumindest verändern wollen um unsere Umwelt zu retten, aber dabei kaum einen Gedanken an die Textilbranche verschwenden? Wir gehen auf die Straße, um zu demonstrieren, um Gesetzesänderungen herbeizuführen mit dem Hintergrund unserer Umwelt zu helfen sich zu regenerieren. Aber ändern wir dabei selbst genug in unserem Alltag? Wie bei vielem gilt meiner Meinung nach, man muss nicht von Null auf Hundert alles perfekt machen und das ganze Leben strikt umkrempeln. Aber je mehr kleine Schritte jeder Einzelne von uns in die richtige Richtung geht, desto größer ist auch der Effekt. Mal etwas bei großen Marktführern zu kaufen ist dabei nicht das Verheerende. Man sollte allerdings darauf achten werden größtenteils den eigenen Konsum zurückzuschrauben. Wenn man kauft sollte man definitiv versuchen, die Artikel erst einmal Vintage zu finden oder bei einem Fair Trade Label zu kaufen, welches auf die Umwelt und auf die Arbeitsbedingungen der Menschen Wert legt, ohne die wir erst gar nichts zum anziehen hätten.