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Von Borkenkäfern und Priester-Callboys

Rebecca Bieling Chefredakteurin und Ressortleiterin Gesellschaft & Politik

Zu Besuch beim ersten Passauer Podcast-Festival

Veranstalter Matthias Hofer

Das rote Lämpchen leuchtet, die Aufnahme läuft. „Sie dürfen jetzt gnadenlos ihre Mobiltelefone ausschalten“, fordert Moderatorin Natascha Huber das Publikum im Raum des Kulturmodells auf. Das erste Passauer Podcast-Festival hat begonnen. Initiiert wurde die Veranstaltung am vergangenen Freitag von Matthias Hofer, der vor allem mit seiner Stimme arbeitet: Unter anderem als Podcast-Produzent. Und wenn er nicht selbst Podcasts produziert, dann hört er sie oder besucht Podcast-Festivals in größeren Städten. Nun wolle er diese Idee nach Passau bringen, sagt er in seiner Eröffnungsrede.

Neben ihm begrüßen Mitveranstalter Markus Pühringer und Bürgermeisterin Erika Träger das Publikum. Sie selbst bezeichnet sich als „Dinosaurier auf dem Gebiet“ und „weiß mit Müh und Not, was ein Podcast ist“. Damit ist sie die Ausnahme im Raum: Auf die Frage, wer regelmäßig Podcasts höre, gehen fast alle Hände nach oben.

Der Mörder aus dem Bayerischen Wald

Moderatorin Julia Reihofer und Gast Jörg Müller sind die ersten, die auf dem Podium hinter den Mikrofonen Platz nehmen. Sie sprechen über den „effektivsten Killer“, dem es so gut gehe wie nie zuvor und der im Bayerischen Wald für eine „apokalyptische Stimmung“ sorge. Mit aufwendiger Detektiv:innenarbeit und „Schlitztrupps“ wird gegen ihn vorgegangen. Was wie ein True Crime Podcast klingt, ist Wildnis schafft Wissen, der Podcast des Nationalparks Bayerischer Wald und Deutschlands erster Nationalpark-Podcast. Die beiden Moderator:innen sprechen über ‚Den Käfer‘. Gemeint ist der Buchdrucker, eine Borkenkäferart, die Fichten befällt und zum Absterben bringt. Ein Thema, das den Menschen aus dem Bayerischen Wald und Umgebung nur allzu bekannt ist und rund 40 Zuhörer:innen ins Kulturmodell lockt.

Es ist der erste Live-Podcast für Julia, die seit vier Jahren Wildnis schafft Wissen moderiert. „Es war ungewohnt, weil es so statisch war“, sagt sie nach der Aufnahme. Meistens werden die Folgen im Nationalpark selbst aufgenommen und nicht auf gepolsterten Stühlen sitzend.

In den Umbaupausen zwischen den Podcast-Aufnahmen gibt es die Möglichkeit für gemeinsamen Austausch

Sorgenkind Demokratie

In Passau scheint der Borkenkäfer mehr Interessierte anzulocken als das Ehrenamt, bei der zweiten Live-Aufzeichnung sind noch einige Plätze frei. Man fragt sich, ob genau das ein Teil des Problems ist, über das die Podcastmoderator:innen von Emerenz mit ihrem Gast Perdita Wingerter sprechen: „Die Generation, die Ehrenamt macht, weil man es halt so macht, gibt es nicht mehr“, sagt Perdita. Ein Großteil der Ehrenamtlichen in Deutschland ist über 50 Jahre alt. Perdita, Gründerin des Vereins Gemeinsam Leben und Lernen in Europa, spricht darüber, wie man junge Menschen an ehrenamtliches Engagement heranführt und sie langfristig dabei hält.

Nicht nur Perdita lebt das Ehrenamt, auch der Podcast Emerenz selbst besteht aus ehrenamtlichen Menschen, die professionelle journalistische Erfahrung haben und „zur Stärkung der Demokratie gemeinnützigen und lösungsorientierten Journalismus in Passau und Umgebung etablieren wollen“. Gastgeber:innen und Gast sind sich einig: „Ehrenamt ist die beste Medizin für die Demokratie“, meint Perdita.

Durchatmen: Podiumsdiskussion

„Die Nische der Introvertierten“, nennt Tatjana Lukáš, Podcasterin aus Wien, ihr Medium. Sie gehört zum vierköpfigen Podcast-Team Drama Cabonara, das später am Abend auftritt – ihre Kolleginnen stecken noch im Stau. Mit den Organisatoren Matthias Hofer und Markus Pühringer spricht sie über ihre gemeinsame Leidenschaft. Für Matthias, der das Tonstudio off-ton in Passau gegründet hat, ist der Sound offensichtlich wichtig, für Tatjana zählen eher die inneren Werte: der Inhalt. Und während die drei Moderator:innen auf der Bühne diskutieren, kommt nicht nur mehr Publikum in den Raum, auch die anderen drei Podcasterinnen aus Wien haben es aus dem Stau ins Kulturmodell geschafft. Im Hintergrund werden so leise wie möglich Schnitzelsemmeln angeliefert. Am Ende der Podiumsdiskussion gibt es noch Tipps für alle, die selbst einen Podcast starten wollen. Markus und Tatjana sind sich in der Vorgehensweise nicht ganz einig. Er plädiert für genaue Planung, „think slow and act fast“. Tatjana kontert schnell: „Better done than perfect“. Die Zeit vergeht und als Markus Österreichisch als Dialekt des Bayerischen bezeichnet, ist es Zeit zum nächsten Programmpunkt überzugehen.

Zitate Plus

In Schreien am Klavier, einer Eigenproduktion von off-ton, gewährt Peter Aigner dem Publikum anhand von Zitaten und selbstgeschriebenen Liedern Einblicke in seine Gedankenwelt. „Werde die Lehrkraft, die Du als Kind geliebt hast!“, ein Werbeslogan des Brandenburger Bildungsministeriums, markiert den Beginn der Aufnahme. „Werde der Priester, der dich als Kind geliebt hat“, ist die fragwürdige Pointe des Podcasters. Inzwischen hat sich der Raum gut gefüllt und gemeinsam lacht das Publikum über den ersten Song: Eine Hommage an Bahnhöfe, in der Schlagworte wie Drogen, Bahnhofsklo und -strich, sowie „La La La mit Drei-Pick“ nicht fehlen dürfen. Peter, ein großer Fan von Reinhard May, leitet die Zuhörer:innen von einem Zitat des Kleinen Prinzen zu hypothetischem Sex mit einem Huhn. Man fragt sich, ob das Publikum den Humor des Podcasters teilt oder ob ihnen die Abwegigkeit seiner Witze ein Lachen entlockt. Als er einen Einspieler aus einer vergangenen Episode laufen lässt, in der er und sein Gast bellende und knurrende Hunde imitieren, setzt er der Absurdität noch eins drauf. Das letzte Zitat des Abends, „I did it my way“ – Frank Sinatra, ist mehr als passend und mit dem Lied „Am Ende will ich in einem schönen Stuhl sitzen“ verabschiedet sich Peter von seinem Publikum.

„Ist der Leib Christi vegan?“

Man merkt Asta, Jasna, Nora und Tatjana an, dass sie nicht zum ersten Mal mit ihrem Podcast Drama Cabonara auf der Bühne stehen. Sekt füllt die Gläser vor den vier Frauen aus Österreich, die Dynamik zwischen ihnen fließt. Mit Schreien am Klavier haben sie zwei Dinge gemeinsam: Sie bringen das Publikum zum Lachen und sie reden über Priester. Seit fast fünf Jahren lesen sie Kurzgeschichten aus Romanheften wie Mein Bekenntnis, Meine Schuld oder, wie heute, Meine Wahrheit. Unter dem Titel Wie ich ein Callboy wurde erzählt ein Architekt, wie er seiner Oma zuliebe als Priester verkleidet aus Versehen zum Callboy wurde. Das Format ist einfach: Nur eine der Podcasterinnen kennt die Geschichte bereits und beginnt laut vorzulesen. Wenn eine der anderen drei sie ablösen will, sagt sie „Drama Cabonara Baby“ und das Heftchen macht die Runde. Zahlreiche Kommentare sind natürlich mit inbegriffen – intensiv wird diskutiert, ob die Hostien in der Kirche vegan sind. Dafür, dass Tatjana Podcasts noch vor wenigen Stunden die „Nische der Introvertierten“ nannte, ist dem Podcast-Quartett keine Scheu anzumerken, als es darum geht, wer die Sexszene aus der Kurzgeschichte vorlesen darf.

Die erste Runde Applaus am Ende der Kurzgeschichte fällt etwas verhalten aus, das merken auch die Podcasterinnen – bei der zweiten Runde am Ende der Aufnahme kommt das Passauer Publikum dann doch etwas mehr aus sich heraus und klatscht begeistert. It’s a wrap!

Geschmackssache

Für Veranstalter Matthias war das Podcast-Festival ein Erfolg. Zwar habe er sich vor allem für die ersten beiden Formate ein größeres Publikum gewünscht, aber das abwechslungsreiche Programm mit einem wissenschaftlichen, einem gesellschaftlichen und zwei Comedy-Podcasts sei gelungen. Die Themen waren in der Tat bunt gemischt und so war für fast jede:n etwas dabei. An jungen Menschen fehlte es zwar noch, dies würde sich durch die Teilnahme jüngerer Podcaster:innen und Formate aber bestimmt ändern lassen. Sollte das Passauer Podcast-Festival in die zweite Runde gehen, werden sich sicher viele auf die Veranstaltung freuen. Nur bei den Comedy-Podcasts sollte man seinen Platz wohl einem der vielen stehenden Gäste überlassen, denen diese Formate wirklich einen Lacher entlocken können.