In Zeiten von selbsternannten Soundcloud-Rappern, Beats-Produzenten in jedem Kinderzimmer und einem steigenden Interesse an Gesichtstattoos ist es Zeit sich die Ursprünge des eigentlichen Hip Hops mal wieder genauer vor Augen zu führen. Klar ist, dass Plattformen wie Soundcloud Kunstfiguren hervorgebracht haben, die dem Genre neue Impulse geben und für den Wandel einer ganzen Branche stehen. Doch vieles hat heutzutage mit den traditionellen vier Elementen MCing, DJing, B-Boying und Graffiti nichts mehr zu tun. Also was ist dieses Hip Hop?
Wenn es etwas gibt, dass Hip Hop Fans mehr lieben als tatsächlich Hip Hop zu hören, ist es darüber zu streiten was das Genre wirklich ausmacht. Ein Artikel über Hip Hop hat im Grunde nichts mit einer Definition zu tun, bezeichnet der Begriff doch viel mehr als nur den einen Musik Stil. Hip Hop, oft fälschlicherweise mit Rap-Musik gleichgesetzt, geht weit darüber hinaus. KRS-One (US amerikanischer Rapper und Musikproduzent) verkündete einmal feierlich:
„Rap is something you do, hip-hop is something you live!“
Hip Hop und viele seiner Subgenres lassen sich also kurz gesagt dadurch definieren, aus welcher Ecke der Artist kommt und welchen Lifestyle er führt. Natürlich spielen Sound und Thema auch eine wichtige Rolle! Zumindest früher.
Das hat mit Hip Hop nix zu tun?
Fragt man Menschen in unserem Alter, was Hip Hop für sie ganz persönlich bedeutet, stellt sich schnell heraus dass jeder etwas anderes damit verbindet. Für einige ist es ein kompletter Lebensstil mit passenden Klamotten, für andere einfach eine Musikrichtung die man eben im Club so hört. Für manch einen ist es der Sound der Jugend auf dem Sony Ericsson, für andere eine Einstellung „einfach zu chillen und sich nicht zu stressen“. Verehrt von den einen, verabscheut von den anderen. Hip Hop hat tatsächlich eine lange Geschichte, die hör- und sichtbar tausende unterschiedliche Facetten des urbanen Lebens erzählt. Also wo genau liegt der Ursprung?
New York zu Beginn der Siebziger Jahre
Offensichtliche Rassenschranken sind abgebaut und die erste Generation Post-Soul-Kids vorwiegend afroamerikanischer Abstammung genießt auf dem Papier die gleichen Rechte, wie sie der weißen Bevölkerung zuteil werden. Die Realität errichtet jedoch neue Barrieren: Armut, Drogen und Bandenkriminalität bereiten in den benachteiligteren Vierteln New Yorks den Boden, in den Hip Hop seine Wurzeln gräbt. Die Bevölkerung in diesen Vierteln hat niemanden, der sich für ihre Rechte einsetzt, sodass eine Form von Ausdruck notwendig erscheint – künstlerisch in Form von Hip-Hop.
Die Suche nach den Wurzeln bringt eine oft vergessene Tatsache ans Licht: Hip Hop entstand aus dem Reggae. Mit den Worten Kool DJ Hercs:
„The whole chemistry of that came from Jamaica!“
In bester jamaikanischer Soundsystem-Tradition bedient also der oben genannte DJ in der ersten Hälfte der 70er Jahre auf seinen Block Parties in Hinterhöfen das tanzwütige Volk. Um die Menge in Bewegung zu halten, setzt er besonders auf die Breaks, verlängert die instrumentalen Passagen seiner Platten und kreiert so eine Technik, die später als Beatjuggling bezeichnet wird. Grandmaster Flash (ein Bastler vor dem Herrn) setzt dem noch einiges an Methoden drauf. Auf ihn gehen Cutting, Phasing und die ersten Backspins – heute allgegenwärtige DJ-Standards – zurück. Neben Herc und Flash fehlt noch der dritte Gründervater der Hip Hop Kultur: Afrika Bambaataa. Dieser bringt seine „Peace-Love-Unity“-Philosophie sowie eine immense musikalische Bandbreite mit ins Spiel. Die Gründer rocken die Szene also bereits lange bevor die erste Hip Hop Platte gepresst wird. Selbst der Begriff Hip Hop ist zu dieser Zeit noch nicht in Gebrauch, man spricht lediglich von „Disko-Rap“.
Die Achtziger Jahre
Hip Hop wird von einem lokalen Phänomen zu einem weltweit bedeutenden Musikgenre und erste kommerzielle Erfolge bei Plattenlabels zeichnen sich ab. Neben anfangs dominierenden Partythemen hält nun außerdem Sozialkritik Einzug: Grandmaster Flash und Furious Five schlagen mit Nummern wie „The Message“ und „White Lines“ ernstere Töne an. Statt Party- und Nonsens-Texten formulieren die Songs nun sozialkritische Inhalte und reflektierten erstmals das Leben im Ghetto. Run DMC oder die Beastie boys rappen wiederum über harte Gitarrenriffs und verstehen sich gleichzeitig als politisches Sprachrohr ihrer Hörerschaft. 1988 erscheint dann die vielleicht bedeutendste Hip-Hop-Platte, die je produziert wird: It Takes a Nation of Millions to Hold Us Back von Public Enemy. Die hochpolitischen Texte und die unglaublich harte Produktion begründen ein neues Subgenre: den Conscious Rap. Dadurch wird ein drastischer Schlussstrich unter die bisherige Definition von Hip-Hop gezogen. Die Old School wird abgelöst von der New School, in dem eine neue Generation von MCs das Mic übernimmt. Mit N.W.A. „Straight Outta Compton“ tritt schließlich die West Coast auf den Plan.
Die Neunziger Jahre
Mit Beginn der 1990er ersetzt der zuvor für dieses Musikgenre eher selten genutzte Begriff Hip Hop zunehmend die bislang verwendete Bezeichnung Rap. Mit dem Auftreten von N.W.A und Public Enemy beginnt nicht nur das Zeitalter des Gangsta-Rap. Andere sogenannte West-Coast-Künstler wie Dr. Dre, Snoop Doggy Dogg und 2Pac treten plötzlich hervor und erstmals ist New York (die Eastcoast) nicht mehr das Zentrum des Hip Hops. Trotz aller in den Medien aufgebauschten Theatralik handelt es sich bei dem berüchtigten East Coast/ West Coast Konflikt aber weniger um eine territoriale Auseinandersetzung, als um einen Wettstreit zwischen zwei rivalisierenden Labels: das Bad Boy Entertainment (NYC) auf der einen und Death Row Records (LA) auf der anderen Seite. Bevor der Streit beigelegt wird, fallen ihm die zwei vielversprechendsten jungen Künstler der Szene zum Opfer. Am 7. September 1996 wird Tupac Shakur in Los Angeles erschossen, ein halbes Jahr später ist auch sein Kontrahent Notorious B.I.G.. tot. Beide Morde bleiben unaufgeklärt, durch ihre Musik werden beide jedoch unsterblich.
Nas, der Wu-Tang-Clan und Mob Deep prägen mit Meilensteinen wie „Illmatic“ oder „Enter the 36 Chambers“ den Sound der 90er. Im allgemeinen Bewusstsein dominiert jedoch die funklastige, textlich kompromisslose Attitüde des Gangsta-Rap. Erst gegen Ende des Jahrzehnts flaut dieser Trend ein wenig ab. Einflüsse aus Reggae, Dancehall, Elektro-Funk sowie eine zunehmende Rückbesinnung auf R’n’B und Soul sorgen für Schnittflächen zum Mainstream-Geschmack.
Der Unterschied von Rap und Hip Hop
Während Hip Hop Künstler bestrebt sind, Hörer zu einem Glauben an eine bessere Zukunft zu bewegen, dreht sich in der Rap Musik alles darum zu erzählen, was in der Gegenwart passiert, eben im Hier und Jetzt. N.W.A., eine der größten Rap-Gruppen, singt über ihren „hardcore“ Lebensstil, der den einzigen Weg beschreibt, dort zu überleben wo sie herkommen – Rappen über aktuelle Lebensbedingungen. Auf der anderen Seite, ermutigen Songs wie „Rappers Delight“ von der Sugarhill Gang die Leute ihr Leben zu genießen und die Zukunft positiv zu sehen.
Es ist zwar richtig, dass Rap-Musik einen depressiveren Ausblick als Hip Hop hat, doch werden heute diese beiden Begriffe so oft miteinander vertauscht, dass ein Unterschied schwer auszumachen ist. Während es unmöglich wäre, einen eindeutigen Unterschied zwischen den beiden Musikrichtungen zu erkennen, wird die große Debatte wohl weiterhin bestehen.
Subgenres – Hear it best in:
Während Hip Hop ursprünglich sozusagen lediglich eine Form der musikalischen Poesie war, haben sich mittlerweile viele ganz unterschiedliche Stile hervorgetan.
Backpack: Kein Bock auf Kommerzialisierung im Untergrund
Boom bap: Produktionstechnik, mit hartem Kick (boom) + hohen Snare Drum (bap)
Chopped and screwed: Remix-Technik, die alles langsamer „schraubt“
Cloud rap: Sphärische Synthesizer-Klänge, Auto Tune und Wolken
Conscious hiphop: Inhalt = politisch und sozialkritisch
Crunk: Aggressiver aber clubtauglicher Sound (Moshpit!)
Drill: Traprichtung seit 2010 mit dunklen und gewaltverherrlichenden Texten
Emo rap: aus der Soundcloud-Szene über Depressionen, Heartbreaks und Einsamkeit – sehr sad
Frat rap: weiße Typen zelebrieren den Project-X-Party-Lifestyle an amerikanischen Colleges
Gangsta rap: Musik über oder von Gangstern in Gangstergangs
Grime: aus Großbritannien mit dreckigem Sound und Highspeed-Rap (Achtung Zungenbrecher)
Horrorcore: gruselige Themen wie Mord, Suizid und Satanismus straight aus dem Untergrund
Hyphy: hyperaktiv.
Jazz rap: Crossover Variante mit funky Elementen und jazzy Sound
Old school: #tb Blockparties 1973!
Rap rock: Rock n Roll x Heavy Metal, yeah
Trap: vom Drogenmilieu in den lokalen Club
„Um Hip Hop völlig verstehen zu können, braucht man vermutlich einen Abschluss in Soziologie, mehrere Knastaufenthalte und ein Gefühl für afrikanische Rhythmen.“
Nelson George, vom Rolling Stone-Magazin zum besten Hip Hop-Kritiker des Planeten erkoren, begleitete das Phänomen Hip Hop bei seinem Aufstieg von den Anfängen in den späten Siebziger Jahren in der Bronx bis hin zum weltweit allgegenwärtigen Mainstream-Konsumartikel. Historisch Interessierten sei die Geschichte seiner Hassliebe, wie er sie in „XXX – Drei Jahrzehnte Hip Hop“ dokumentiert, wärmstens ans Herz gelegt.
Mittlerweile umfasst Hip Hop also auch weitere Disziplinen als die ursprünglichen vier Elemente. Beatboxing, Producing und Street Fashion tragen einen wesentlichen Teil zum Genre bei. Seit seiner Gründung in den 70er Jahren hat der Hip Hop erhebliche Veränderungen und Evolutionen durchgemacht. Obwohl es eine große Anzahl an unterschiedlichen Formen gibt, bleibt er weiterhin beides. Ein Lebensstil und eine Hommage an eine Musikkultur, die sich über mehr als dreißig Jahre hinweg entwickelt hat.
Und was ist Hip Hop für euch? Schreibt’s in die Kommentare.