Das Mikrofon steht bereit, die Scheinwerfer sind auf die Bühne gerichtet und die Reihen beginnen sich zu füllen. Mal wieder findet im Zeughaus ein Poetry Slam statt, mal wieder dürfen Hobby- und Vollzeit-Poeten ihre lyrischen Werke zum Besten geben.
Doch auf der Bühne des Zeughauses steht auch ein schlaksiger junger Kerl mit Brille, kurzer Hose und weißem Shirt, der eine Gitarre in der Hand hält. Ungewöhnlich für einen Dichterwettstreit, denn eigentlich sind musikalische Darbietungen strengstens untersagt. Die Moderatoren warnen vor, an den Regeln wurde nichts gedreht, es sei nur ein besonderer Gast da, der für musikalische Unterhaltung sorgt. Also wird der Abend nicht wie üblich mit lyrischen Redebeiträgen eröffnet, sondern von einer Ein-Mann-Band. Einem Singer-Songwriter namens Lörns, der erst seit kurzem die Passauer Musikszene unsicher macht.
Lörns tritt selbstbewusst ans Mikrofon, spielt die ersten Akkorde auf seiner Gitarre und singt mit rauer, kraftvoller Stimme über Ziellosigkeit und der Suche nach dem Sinn: „will Schiffe lenken, nicht nur denken, Bedenken schnell ertränken“. Nach dem Refrain beginnt er auf seine Gitarre zu klopfen und erzeugt somit einen Beat, den er mithilfe einer Loop-Station aufnimmt. Der Song wird treibender, eine weitere Gitarrenmelodie gesellt sich zu dem immer größer werdenden Klangteppich dazu. Was minimalistisch angefangen hat, wird zunehmend komplexer, man könnte fast meinen, eine ganze Band stehe auf der Bühne. Der Applaus ist groß, Lörns scheint beim Publikum gut anzukommen.
Dass Lörns die Menge begeistert, zeigt sich auch daran, wie schnell er in der Passauer Musikszene Fuß fassen konnte. Hinter dem Pseudonym Lörns steckt Leon, der gerade mal seit zwei Semestern Staatswissenschaften an der Uni Passau studiert und schon so einige Auftritte hinter sich hat. Das alles verdanke er Topher Lack, auch ein Musiker aus Passau, den er im Epizentrum der studentischen Biosphäre kennengelernt hat: Auf der Innwiese. „Topher hat dort mit seiner Gitarre gespielt, woraufhin ich ihn auf meine Musik angesprochen habe“, sagt Leon. Die beiden verstehen sich gut, verabreden sich zum gemeinsamen jammen und somit wird der Stein ins Rollen gebracht. Topher hat die Kontakte zur Veranstalterin des Semesteropenings und kann Leon einen Platz sichern. Nun muss nur noch ein Künstlername her, denn er habe nicht das Glück wie Ed Sheeran von Haus aus mit einem gut klingenden Namen gesegnet zu sein. „Mein Bruder hat mir mal den Spitznamen Lörnski gegeben und daraus wurde dann Lörns.“ Schnell wird provisorisch ein Logo gebastelt und eine Facebook-Seite erstellt. Es folgen Wohnzimmerkonzerte, Auftritte im Zauberberg und im Zeughaus, sogar beim Impuls-Festival war er dabei. „Bis jetzt ist es wirklich super gelaufen. Und wenn dann noch Leute zu mir kommen und sagen: hey, das ist wie AnnenMayKantereit, nur fetziger, kann ich mich nicht beschweren.“
Zur Musik geführt habe ihn allerdings seine Mutter: „Meine Brüder und ich wurden damals im Kindergartenalter von ihr gezwungen Blockflöten-Unterricht zu nehmen.“ Mit der Gitarre hat Lörns aber schon immer geliebäugelt. Seine ersten Bühnenerfahrungen sammelt Leon dann in einer Band während seiner Schulzeit. „Wir waren am Anfang noch ganz kleine Pimpfs mit viel zu hohen Stimmen. Im Rückblick ist es etwas peinlich, allerdings könnte ich ohne die Band nicht so Musik machen, wie ich es gerade tue.“ Seine Musik sei jetzt etwas ruhiger, aber die Punkrock-Elemente aus Bandzeiten höre man noch raus. Während die Texte früher noch auf englisch geschrieben wurden, singt Leon inzwischen in seiner Muttersprache. Das sei auch seinem hohen Anspruch an sich selbst geschuldet, denn Leon will sich auf der Bühne nicht verstellen müssen: „Für mich ist es auf deutsch wesentlich einfacher Texte zu schreiben und eine Gefühlsebene zum Zuhörer aufzubauen.“ Lörns singt in seinen Liedern über Persönliches, teils Wahres, teils Erdachtes, er singt über die großen Emotionen: Sehnsucht, Sinnsuche, Liebe. Er schlägt die Brücke zur deutschen Musikszene und zählt Künstler wie Max Giesinger und Adel Tawil auf, bekannt für belanglose Gefühlsduselei. Leon kann sich zwar selbst nicht komplett für unschuldig erklären, er versuche aber trotzdem noch den Anspruch zu hegen, sich textlich und musikalisch klar abzugrenzen. Leon zieht den Vergleich mit einem guten Roman: „Der hat ja auch nicht nur ein starkes Kapitel und dann wird hundert Seiten lang um den heißen Brei erzählt. In der Musik sollte jede Zeile durchdacht sein und ein Gesamtkonzept dahinterstecken.“ Es geht eben nicht alleine darum einen guten Refrain mit einer eingängigen Melodie zu haben, man muss mehr bieten können als den immer gleichen Einheitsbrei mit seinen längst abgenutzten Konzepten.
Wichtig ist Leon auch das Zusammenspiel von Instrumentalisierung und dem Gesungenen, denn die durch den Text vermittelte Gefühlslage müsse ebenso durch die Musik transportiert werden: „Wenn ich über Alltagsstress singe, muss der Song pushen. Wenn ich über schöne Gefühle singe, soll im Refrain eine Öffnung kommen“. Generell will Lörns mit seinen Liedern nicht nur Menschen ansprechen, die sich in seinen Texten wiederfinden können, sondern versucht auch Finessen einzubauen, um Zuhörer abzuholen, die rein aus musikalischem Interesse seiner Musik lauschen.
Lörns legt aber nicht nur Wert auf konzeptionell durchdachte Songs, sondern positioniert sich auch klar als Entertainer und Performer: „Ich kann einfach nicht den Sentimental-Ruhigen auf der Bühne spielen. Ich war schon immer die Rampensau und manchmal ist das auch etwas peinlich, aber es muss schließlich jemanden geben, der sich zum Affen macht.“
Dass Lörns sich auf der Bühne wohl fühlt, merkt man. Energisch haut er in die Gitarrensaiten, die Energie springt förmlich auf die Zuschauer über, die ersten Köpfe wippen im Takt mit, es fällt schwer still sitzen zu bleiben im Zeughaus. Und wenn Lörns dann sagt, dass sein Ziel sei die Menschen zu unterhalten, hat er das mit seiner Musik ohne Zweifel geschafft.
Wer Lörns in nächster Zeit live erleben will, sollte am Mittwoch, den 23. Mai gegen 19 Uhr einen Abstecher zum kleinen Exerzierplatz machen. Dort veranstaltet Lörns ein Benefizkonzert für den gemeinnützigen Verein „Rock your life“, der sich für Bildungsgleichheit einsetzt. Neben Lörns treten auch Topher Lack, Forellentheater und viele mehr auf. Der Eintritt ist kostenlos.