Ein Appell an den politischen Widerstand
Vor genau 75 Jahren, am 22.02.1943 wurden die Mitglieder der weißen Rose unter anderem wegen „Vorbereitung zum Hochverrat“ verurteilt und hingerichtet. In regimekritischen Aktionen rief die Gruppe, darunter die Medizinstudenten Hans Scholl und Alexander Schmorell sowie Christoph Probst, Sophie Scholl, Willi Graf und ihr Mentor, Professor Kurt Huber, zum Widerstand gegen die Nationalsozialisten auf.
In insgesamt sechs Flugblättern setzte sich die Weiße Rose für Gerechtigkeit und verantwortliches Handeln ein und informierten über die Sinnlosigkeit und Grausamkeit des Krieges. Während die ersten Flugblätter mit literarischen sowie schöngeistigen Anspruch einen christlich-moralischen Appell an das gebildete Bürgertum richteten, änderten sich im Februar 1943, angesichts der aussichtslosen Kriegslage, nach den hohen Verlusten bei Stalingrad Ton und Stil der Flugblätter. Fortan forderten die Münchner Studenten aktiven Widerstand der breiten Masse.
„Wir schweigen nicht, wir sind Euer böses Gewissen, die Weisse Rose lässt Euch keine Ruhe!“, so der Schlusssatz des vierten Aufrufs.
Im Untergrund erstellten sie 6000 bis 9000 Abzüge, die sie per Post verschickten oder verteilten. Als die Geschwister Hans und Sophie Scholl am 18. Februar 1943 einen Teil der Flugblätter vor Hörsälen der Ludwig-Maximilians-Universität auslegten, wurden sie von der Gestapo entdeckt und verhaftet.
Wie aktuell ist die Aufforderung zum politischen Engagement?
75 Jahre später: Mit dem Erfolg der AfD bei der Bundestagswahl 2017 mit 12,6 % der Stimmen, etablierte sich eine Partei mit nationalistischen, rassistischen, islamfeindlichen und antisemitischen Tendenzen als drittstärkste Kraft im Bundestag. Vor drei Jahren spricht der Thüringer AfD-Landeschef Björn Höcke bei einer Kundgebung in Magdeburg von einer tausendjährigen deutschen Zukunft, die Menge tobt. „Ich will, dass Deutschland nicht nur eine tausendjährige Vergangenheit hat. Ich will, dass Deutschland auch eine tausendjährige Zukunft hat.“ Höcke provoziert mit NS-Rhetorik und heroisiert Taten des NS-Regimes. Er kritisiert die Aufarbeitung der Geschichte und fordert, Hitler nicht als „absolut böse“ dazustellen. So sei das Holocaust-Mahnmal in Berlin, das an die sechs Millionen ermordeten Juden erinnert, „ein Mahnmal der Schande“. Die Vorsitzenden der Alternative für Deutschland nutzen die Öffentlichkeit, um Angst und Hass in der Bevölkerung zu verbreiten. Auf fremdenfeindliche Äußerungen muss auf Parteitagen nicht lange gewartet werden.
Die weiße Rose vermittelt weit mehr als eine Geschichtslektion. Mit ihrem Appell Unrecht nicht passiv zu dulden, sondern aktiv Widerstand zu leisten, nennen sie einen zentralen Aspekt einer demokratischen Gemeinschaft. Der Staatsanwalt Fritz Bauer, der sich für die strafrechtliche Verfolgung von NS-Tätern einsetzte, prägte den Widerstandsbegriff nachhaltig.
„Widerstand bedeutet Eintreten für eigene oder fremde Menschenrechte, die vorenthalten, verletzt oder gefährdet werden. Widerstand ist Notwehr gegenüber staatlichem Unrecht oder, wenn die Rechte Dritter verletzt werden, Nothilfe.“
Angesichts des zunehmenden Aufstiegs populistischer Parteien in Europa, die demokratische Grundwerte vermehrt ablehnen und ihre Thesen oftmals mit rassisitischen Vorurteilen begründen, ist die Aufforderung der Widerstandsgruppe zum Engagement für eine offene und demokratische Gesellschaft hochaktuell.
Für die Mitglieder der weißen Rose war der Kampf gegen die Unrechtsherrschaft aussichtslos. Sie bezahlten ihren Einsatz für eine liberale Gesellschaft zwei Jahre vor Kriegsende mit ihrem Leben.